Abtreibungsrecht, Homo-Ehe, Obamacare, Präsidentschaftswahl: Die designierte US-Verfassungsrichterin Amy Coney Barrett hat bei den Senatsanhörungen eine klare Positionierung zu strittigen Themen abgelehnt. Die konservative Juristin wies entsprechende Fragen am Dienstag mit dem Argument zurück, als amtierende Richterin stehe ihr eine solche Bewertung nicht zu. Sie müsse von Fall zu Fall entscheiden und dabei geltendes Recht anwenden.
Die derzeitige Richterin an einem Bundesgericht in Chicago stellte im Justizausschuss des Senats klar, dass sie als Richterin keine politische „Agenda“ verfolge. „Meine Agenda ist es, mich an die Rechtsstaatlichkeit zu halten und Fälle zu entscheiden, wenn sie kommen.“
„Richterinnen können nicht einfach aufwachen, sagen ‚Ich habe eine Agenda. Ich mag Waffen, ich hasse Waffen, ich mag Abtreibungen, ich hasse Abtreibungen‘ und dann wie eine Königin der Welt ihren Willen aufdrücken“, sagte Barrett weiter.
Die oppositionellen Demokraten fürchten, dass der Oberste Gerichtshof nach einer Bestätigung der 48-Jährigen die Legalisierung von Abtreibungen und die Gesundheitsreform des früheren Präsidenten Barack Obama rückgängig machen könnte.
Der Supreme Court wird sich nur eine Woche nach der Präsidentschaftswahl vom 3. November mit der als Obamacare bekannten Gesundheitsreform befassen, die 20 Millionen Menschen Zugang zu einer Krankenversicherung ermöglichte. Abtreibungsgegner wollen zudem die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen durch den Obersten Gerichtshof durch das historische Urteil „Roe gegen Wade“ des Jahres 1973 rückgängig machen.
Die strenggläubige Katholikin Barrett wollte eine Frage, ob sie „Roe gegen Wade“ für ein Fehlurteil halte, mit Verweis auf ihr derzeitiges Richteramt nicht beantworten. Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein entgegnete: „Es ist besorgniserregend, darauf keine klare Antwort zu bekommen.“ Barrett beteuerte auch, sie sei nicht auf einer „Mission“, Obamacare zu „zerstören“ – lehnte aber auch hier eine inhaltliche Festlegung ab.
Die 48-Jährige betonte zugleich, sie habe niemandem im Senat oder im Weißen Haus Zusagen gemacht, wie sie über bestimmte Fälle entscheiden würde. Sie werde das auch im Justizausschuss nicht tun. „Das wäre eine grobe Verletzung der Unabhängigkeit der Justiz.“
Die Ende September von Präsident Donald Trump als Verfassungsrichterin nominierte Barrett gab auch keine klare Antwort auf die Frage, ob sie sich als Verfassungsrichterin selbst wegen Befangenheit zurückziehen würde, sollte der Amtsinhaber im Streit um das Wahlergebnis vor den Supreme Court ziehen.
Sie würde in einem solchen Fall „alle relevanten Faktoren“ ernsthaft prüfen, sagte Barrett. Die Senatoren sollten aber in ihre „Integrität“ vertrauen, dass sie sich nicht als „Marionette“ benutzen lasse würde, um anstelle des Volkes über den Wahlausgang zu entscheiden.
Trump hatte Barrett als Nachfolgerin für die verstorbene liberale Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg nominiert. Weil Trumps Republikaner im Senat mit 53 der 100 Senatoren die Mehrheit haben, gilt ihre Bestätigung als sicher. Damit würde die konservative Mehrheit am Supreme Court von zuletzt fünf zu vier auf sechs zu drei Richter ausgeweitet.
Die Demokraten haben Trump und seine Republikaner scharf dafür kritisiert, dass sie den vakanten Posten am mächtigen Obersten Gerichtshof so kurz vor der Wahl neu besetzen wollen.