Nach der Verschiebung des Parteitags zur Wahl eines neuen Vorsitzenden droht der CDU heftiger interner Streit. Mehrere CDU-Landesverbände wollen die Parteiführung zwingen, den abgesagten Bundesparteitag für Januar einzuberufen, wie die „Bild“-Zeitung am Mittwoch berichtete. Baden-Württemberg, Hamburg, der niedersächsische Verband Braunschweig sowie mindestens zwei Ost-Landesverbände wollten einen entsprechenden Antrag stellen.
„Die Entscheidung über den Parteivorsitz ist längst überfällig und muss jetzt wirklich zügig fallen – im Januar“, sagte der CDU-Landeschef von Mecklenburg-Vorpommern, Michael Sack, der Zeitung. Damit der Parteitag zustande kommen kann, müssen dem Bericht zufolge sechs Landesverbände zustimmen.
Unterstützung kam vom CDU-Vorsitzbewerber Norbert Röttgen: „Jetzt ist eine Linie gefunden, dass wir im Januar einen Parteitag machen“, sagte er der „Bild“-Zeitung. „Jetzt müssen wir einig sein, einen Plan finden, dass wir ganz zu Beginn des Jahres auch einen Vorsitzenden wählen.“
Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Christian von Stetten verwies auf die satzungsrechtliche Möglichkeit, einen Parteitag durch die Landesverbände zu erzwingen. Diese Variante bezeichnete er im Magazin „Cicero“ als „Drohkulisse“: „Wenn der Bundesvorstand merkt, dass drei, vier oder fünf Landesverbände diese Option prüfen, dann sollte er dieser Entscheidung zuvorkommen.“
Der CDU-Bundesvorstand hatte am Montag beschlossen, den für den 4. Dezember in Stuttgart geplanten Bundesparteitag wegen der Corona-Pandemie abzusagen. Ein neuer Termin soll frühestens Mitte Dezember festgelegt werden. Offen ist noch, ob es einen Präsenzparteitag geben wird oder eine virtuelle Tagung mit anschließender Briefwahl. Ursprünglich hätte der neue CDU-Chef bereits im April gewählt werden sollen.
Die Reaktion an der CDU-Basis auf die Entscheidung vom Montag sei sehr negativ, sagte von Stetten dem „Cicero“. „Das Echo ist fatal. Die Leute warten seit einem Jahr auf diese Entscheidung, nun wird sie wieder verschoben. Einer Partei, die Regierungsverantwortung hat und in dieser hochtechnologisierten Gesellschaft nicht in der Lage ist, innerhalb eines Jahres einen Bundesvorsitzenden zu wählen, der traut man nicht mehr viel zu.“
Der CDU-Vorsitzkandidat Friedrich Merz hatte die Parteitagsverschiebung scharf kritisiert. Er sieht darin den Versuch des „Establishments“ der Partei gewertet, seinen Sieg beim Rennen um den Vorsitzposten zu verhindern.
Mehrere prominente CDU-Politiker wiesen dies am Mittwoch zurück. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul sagte dem „Spiegel“, er finde Merz‘ Äußerungen „schade, unnötig und unverständlich“. Er kenne Merz lange, „er ist ein kluger Mensch – ich verstehe nicht, warum er das gesagt hat.“ Reul ist Minister unter NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der ebenfalls CDU-Chef werden will.
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) nannte Merz‘ Vorwürfe in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom Mittwoch „wirklich albern, falsch und widersinnig“. Die Vorstandsentscheidung „hatte nichts, aber auch gar nichts damit zu tun, ob dieser oder jener Parteivorsitzender werden soll“.
Die CDU-Generalsekretäre aus Hessen und Brandenburg, Gordon Hoffmann und Manfred Pentz, kritisierten Merz ebenfalls. „Friedrich Merz sieht im – übrigens einstimmig gefassten – Beschluss des Vorstands eine Intrige gegen die gesamte Parteibasis und beschädigt damit die Wahl von vornherein“, schrieben sie in einem gemeinsamen Gastbeitrag für die „Welt“.