Chemie-Nobelpreis geht an Erfinderinnen der „Gen-Schere“

Bild: glomex

Der diesjährige Chemie-Nobelpreis geht an die Erfinderinnen der sogenannten Gen-Schere: Die Französin Emmanuelle Charpentier und die US-Wissenschaftlerin Jennifer Doudna werden gemeinsam für ihre bahnbrechenden Arbeiten zum „Code des Lebens“ geehrt, wie das Nobelkomitee am Mittwoch in Stockholm mitteilte. „Diese Technologie hat einen revolutionären Einfluss auf die Biowissenschaften, trägt zu neuen Krebstherapien bei und kann womöglich den Traum wahr machen, Erbkrankheiten zu heilen.“

Charpentier leitet derzeit in Berlin die Max-Planck-Forschungsstelle für die Wissenschaft der Pathogene. Die 51-Jährige und ihre fünf Jahre ältere Kollegin Doudna leisteten bahnbrechende Forschungen zur Crispr/Cas9-Technik, die allgemein als „Gen-Schere“ bezeichnet wird. „Mit ihr können Forscher die DNA von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen mit extrem hoher Präzision ändern“, erklärte das Nobelkomitee.  

Crispr/Cas9 erlaubt Eingriffe in das Erbgut mit bislang nicht gekannter Präzision und ist zudem wesentlich schneller und kostengünstiger als herkömmliche Methoden. Vereinfacht gesagt geht es um das Ausschneiden und Ersetzen bestimmter Genabschnitte – also darum, „den Code des Lebens umzuschreiben“, wie es das Nobelkomitee formulierte. Damit sollen unter anderem widerstandsfähigere Pflanzen gezüchtet und Krankheiten bekämpft werden.

Allerdings ist die Technik nicht unumstritten. Ein Grund dafür ist, dass bei einer Veränderung der DNA in Keimzellen sich die neuen Sequenzen an die nachfolgenden Generationen vererben – ohne dass jemand weiß, wie sich die Gen-Veränderung dauerhaft auswirken wird. Für einen weltweiten Skandal im Zusammenhang mit Crispr/Cas9 hatte zudem 2018 der chinesische Wissenschaftler He Jiankui gesorgt, der nach eigenen Angaben mit dieser Technik die weltweit ersten gentechnisch veränderten Babys „schuf“.

Charpentier und Doudna sind das erste Frauen-Duo und erst die sechste und siebte Frau in der jahrzehntelangen Geschichte des Chemie-Nobelpreises, die ausgezeichnet werden. Sie teilen sich das Preisgeld von zehn Millionen Schwedischen Kronen (950.000 Euro). Die beiden Forscherinnen waren seit Jahren immer wieder als Favoritinnen auf den Nobelpreis gehandelt worden. 

Trotzdem wurde Charpentier nach eigenen Angaben nun völlig überrascht: „Mir war mehrere Male gesagt worden, dass es passieren kann. Aber wenn es dann doch passiert, bist du völlig überrascht und denkst, das sei nicht real“, sagte die Französin in einer Online-Pressekonferenz. Sie hoffe, die Preisverleihung an zwei Frauen sei „eine starke Botschaft“ an Mädchen, sich in den Naturwissenschaften zu engagieren. „Wissenschaftlerinnen können auch großen Einfluss auf die Forschung haben.“

Im vergangenen Jahr waren drei Forscher aus den USA, Großbritannien und Japan für die Entwicklung der Lithium-Ionen-Batterie mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet worden.

Der Preis für Chemie ist der dritte in diesem Jahr verkündete Nobelpreis: Am Dienstag war dem deutschen Astrophysiker Reinhard Genzel zusammen mit dem britischen Forscher Roger Penrose und der US-Wissenschaftlerin Andrea Ghez für ihre Forschungen zu Schwarzen Löchern der Physik-Nobelpreis zuerkannt worden. Die Auszeichnung für Medizin ging am Montag an drei Forscher aus den USA und Großbritannien für die Entdeckung des Hepatitis-C-Virus. Am Donnerstag folgt der Preis für Literatur, am Freitag der Friedensnobelpreis und am Montag die Auszeichnung für Wirtschaftswissenschaften.

Die Verleihung der Nobelpreise steht in diesem Jahr unter dem Eindruck der Corona-Pandemie. Die traditionelle Zeremonie im Dezember in Stockholm wurde vorsichtshalber abgesagt – stattdessen erhalten die Preisträger im Beisein von Fernsehkameras ihre Urkunden und Medaillen in ihren Heimatländern. Die Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo soll nach jetziger Planung hingegen wie üblich stattfinden, allerdings in kleinerem Rahmen.

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