Corona-Krise verschafft „Reichsbürgern“ Aufwind

Bild: glomex

Die Szene der so genannten Reichsbürger befindet sich nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden in der Corona-Krise im Aufwind. Es sei erkennbar, dass die staatlichen Maßnahmen gegen die Pandemie „zu einer erhöhten Dynamik und Aktivität“ der Szene geführt hätten, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag. 

Die Sicherheitsbehörden weisen demnach den Reichsbürgern und so genannten Selbstverwaltern 677 Straftaten im Jahr 2019 und in diesem Jahr bislang weitere 362 Straftaten zu. Die Szene der Reichsbürger zeige eine „große Affinität“ zu Verschwörungstheorien, vor allem zur QAnon-Bewegung aus den USA, heißt es in der Regierungsantwort, die AFP vorliegt und über die zuerst die Funke-Zeitungen berichtet hatten. Das Gemeinsame Terror-Abwehrzentrum von Bund und Ländern hat sich demnach seit September 2018 insgesamt 100 Mal mit den Reichsbürgern befasst. 

Die Bundesregierung schreibt in ihrer Antwort an die Linksfraktion, dass die „oftmals als illegitim empfundenen Maßnahmen den Szeneangehörigen die Möglichkeit zu neuer Propaganda gegen die Bundesrepublik Deutschland“ böten. „Die verbale Radikalität einiger ‚Reichsbürger und Selbstverwalter‘ scheint sich zudem erhöht zu haben.“ Ihre überwiegende Zahl sei aber nicht offen gewaltbereit.

Zumindest temporär scheinen die „Reichsbürger“ eine Allianz mit anderen verschwörungsaffinen Milieus anzustreben, heißt es in der Regierungsantwort. „Darüber hinaus lässt sich eine gewisse Russland-Affinität von Szeneangehörigen erkennen, die sich insbesondere in ‚Hilferufen‘ nach der ‚Befreiung‘ Deutschlands äußert.“

Die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke warnte vor „tickenden Zeitbomben“ in der Reichsbürger-Szene. Auch wenn die Szene „allgemein in viele konkurrierende Sekten gespalten“ sei, sei sie „offensichtlich doch zu einem gemeinsamen und koordinierten Auftreten fähig“. 

Dies hätten die Demonstrationen gegen die Corona-Politik der Bundesregierung am 29. August in Berlin gezeigt, bei denen die Reichsbürger-Szene präsent war. „Hier gibt es offenbar doch mehr Organisierung und Koordination, als die Bundesregierung wahrhaben will“, betonte Jelpke.

Als „erschreckend“ bezeichnete es Jelpke, dass die so genannte Querdenker-Bewegung, die regelmäßig Kundgebungen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen veranstaltet, „zentrale Elemente der Reichsbürgerideologie“ übernommen habe. „Damit haben wir es mit Verfassungsfeinden reinsten Wassers zu tun.“

Verbindendes Element der Reichsbürger ist nach Angaben des Verfassungsschutzes „die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie deren bestehender Rechtsordnung“. Die Szene beruft sich demnach auf das Deutsche Reich und lehnt das Rechtssystem der Bundesrepublik ab. Die Reichsbürger sprechen laut Verfassungsschutz auch den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation ab. 

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