Die Mohammed-Karikaturen der französischen Satirezeitung „Charlie Hebdo“ sorgen seit Jahren für wütende Proteste in der islamischen Welt. 2015 wurde das Blatt wegen seiner umstrittenen Veröffentlichungen Ziel eines tödlichen Anschlags von Islamisten. Zuletzt rückte die Zeitung nach dem klaren Bekenntnis von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu Meinungsfreiheit und Karikaturen infolge des islamistischen Anschlags auf einen Lehrer erneut in den Mittelpunkt einer heftigen Kontroverse.
Der Geschichtslehrer Samuel Paty war Mitte Oktober bei Paris von einem Russen tschetschenischer Herkunft enthauptet worden, weil er seinen Schülern umstrittene Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte, um das Thema Meinungsfreiheit zu illustrieren.
Macron legte nach der Ermordung des Lehrers ein deutliches Bekenntnis zur Meinungsfreiheit ab. In Frankreich würden auch künftig umstrittene Karikaturen gezeigt, betonte er auf der Gedenkfeier für den Pädagogen. Macrons Worte sorgten in Teilen der islamischen Welt für Entrüstung. Es kam zu einer Welle anti-französischer Proteste, unter anderem gingen in Bangladesch zehntausende Menschen auf die Straße. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan rief gar zum Boykott französischer Waren auf und forderte Macron auf, seinen „Geisteszustand untersuchen“ zu lassen.
In seiner jüngsten Ausgabe befeuerte „Charlie Hebdo“ die Auseinandersetzung nun zusätzlich. Darin veröffentlichten die Macher des Blattes eine Karikatur Erdogans in Hemd und Unterhose mit einer Dose Bier in der Hand. Der türkische Staatschef hebt dabei mit den Worten „Ooh, der Prophet“ den Rock einer verschleierten Frau hoch und enthüllt ihr nacktes Hinterteil.
Erdogan sprach von einem „widerwärtigen Angriff“ und bezeichnete die Verantwortlichen als „Schurken“. Die Staatsanwaltschaft von Ankara leitete umgehend Ermittlungen gegen die Leitung von „Charlie Hebdo“ wegen Präsidentenbeleidigung ein.
Trotz aller Anfeindungen gibt die Satirezeitung aber seit Jahren nicht nach. Zuletzt hatte sie im September zum Prozessbeginn nach dem Anschlag von 2015 auf ihre Redaktionsräume und zwei weiteren Attentaten in Paris mit insgesamt 17 Toten die umstrittenen Mohammed-Karikaturen nachgedruckt.
Die ursprünglich in der dänischen „Jyllands-Posten“ erschienenen Zeichnungen hatte „Charlie Hebdo“ bereits 2006 veröffentlicht. Sie zeigen unter anderem den Propheten Mohammed mit einer Bombe auf dem Kopf anstelle eines Turbans. Aus einem Teil der islamischen Welt hagelte es nach der Sonderausgabe zum Prozessbeginn scharfe Kritik.
„Der Hass, der uns getroffen hat, ist immer noch da“, schrieb der Redaktionsleiter von „Charlie Hebdo“, Laurent Sourisseau („Riss“), in seinem Leitartikel zum Prozess. Riss hat das Attentat vor gut fünf Jahren überlebt – anders als Charb, Cabu, Honoré, Tignous oder Wolinski: Die bekannten französischen Karikaturisten wurden am 7. Januar 2015 von dem islamistischen Brüderpaar Chérif und Saïd Kouachi kaltblütig getötet.
Eine Welle der Solidarität mit dem Bekenntnis „Je suis Charlie“ – „Ich bin Charlie“ ging nach dem Anschlag um die Welt, die Auflage der Satirezeitung schnellte in die Höhe. Alleine die Ausgabe vom 14. Januar 2015, die einen weinenden Propheten Mohammed auf dem Titel zeigte, verkaufte sich acht Millionen Mal weltweit. Es flossen Spenden von mehr als vier Millionen Euro.
Seitdem ist die Auflage wieder stark rückläufig. Seit 2018 wurden im Schnitt jährlich rund 25.000 Exemplare von „Charlie Hebdo“ am Kiosk verkauft. Die Zahl der Abonnenten hat sich bei 30.000 eingependelt. Dennoch tritt die Satirezeitung auch im 50. Jahr ihres Bestehens unverdrossen für die Meinungs- und Pressefreiheit ein: „Wir werden uns niemals zur Ruhe legen“, versprach Redaktionschef Riss.
„Charlie Hebdo“ nannten die Gründer das am 23. November 1970 erstmals erschienene Blatt in Anlehnung an die Comicfigur Charlie Brown von den Peanuts, Hebdo verweist auf die wöchentliche Erscheinungsweise. Die Satirezeitung lebt noch heute – auch wenn die Redaktion wegen fortgesetzter Drohungen an einem geheimen Ort arbeiten muss.