Eine tödliche Pandemie, ein Präsident, der schon jetzt Zweifel am Wahlausgang schürt, und ein Wahlabend, bei dem es noch keinen Sieger geben könnte: Die US-Präsidentschaftswahl am 3. November, bei der Amtsinhaber Donald Trump gegen den Demokraten Joe Biden antritt, droht ein wahrer Krimi zu werden. Die wichtigsten Fragen im Überblick:
Wie läuft die Präsidentschaftswahl ab?
De facto haben die Präsidentschaftswahlen bereits begonnen: In vielen Bundesstaaten können die Wahlberechtigten schon jetzt persönlich oder per Post ihre Stimme abgeben, in Texas etwas seit Dienstag. Millionen Menschen haben so bereits von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht.
Sie wählen den künftigen Präsidenten indirekt durch ein Wahlkollegium, das sogenannte Electoral College. Die insgesamt 538 Wahlleute werden auf der Ebene der Bundesstaaten von den Bürgern gewählt. Dabei gilt fast immer die Regel „Alles oder nichts“: Der Kandidat, der in einem Bundesstaat die meisten Wählerstimmen erzielt, bekommt unabhängig von seinem Vorsprung alle dortigen Wahlleute zugesprochen. Nur in Maine und Nebraska werden die Wahlleute aufgeteilt.
Um Präsident zu werden, braucht ein Kandidat die Stimmen von mindestens 270 Wahlleuten. Die Zahl der Wahlleute pro Bundesstaat hängt von der jeweiligen Bevölkerungsgröße ab.
Bedeutet eine Mehrheit der Wählerstimmen auch einen Wahlsieg?
Nein. Wegen der Besonderheiten des US-Wahlrechts kann ein Kandidat landesweit mehr Wählerstimmen gewinnen, aber trotzdem weniger Wahlleute. So bekam die Demokratin Hillary Clinton 2016 rund drei Millionen Wählerstimmen mehr als Trump – der Republikaner erhielt aber eine klare Mehrheit von 304 der 538 Wahlleute. Entsprechend sind die landesweiten Umfragen, die Biden seit Monaten vor Trump sehen, nur bedingt aussagekräftig.
Von zentraler Bedeutung sind die sogenannten Swing States, Schlüsselstaaten, in denen traditionell Republikaner und Demokraten gewinnen können und in denen ein enges Rennen erwartet wird. Dazu gehören unter anderem Arizona, Florida, North Carolina, Michigan, Ohio, Pennsylvania und Wisconsin.
Welche Probleme drohen bei der Briefwahl?
Bei der Präsidentschaftswahl 2016 wurden rund 33 Millionen der 137 Millionen Wählerstimmen per Post abgegeben, also knapp jede Vierte. In diesem Jahr könnte sich die Zahl der Briefstimmenwähler wegen der Corona-Pandemie verdoppeln.
Das ist eine gewaltige logistische Herausforderung für die Wahl-Organisatoren. Unterlagen müssen rechtzeitig verschickt werden und dann fristgerecht ausgefüllt wieder bei den Wahlbehörden ankommen. Verzögerungen könnten dazu führen, dass Millionen Stimmen nicht gezählt werden. Im Sommer sorgten Vorwürfe gegen Trump für Aufregung, er wolle die Post gezielt schwächen, um die Briefwahlen zu torpedieren.
Ein weiteres Problem: Die Auszählung von Briefwahlstimmen ist besonders zeitaufwändig. Gerade bei einem engen Rennen in einem Schlüsselstaat könnte es deswegen Tage oder gar Wochen dauern, bis der Sieger feststeht.
Droht Wahlbetrug in großem Stil?
Seit Monaten macht Trump Stimmung gegen Briefwahlen und behauptet, sie seien besonders betrugsanfällig. Behörden und Experten widersprechen energisch: Betrug bei Briefwahlen ist demnach sehr selten. Kritiker werfen dem Präsidenten vor, mit seinen Äußerungen schon jetzt Zweifel am Wahlergebnis schüren zu wollen – um dann eine mögliche Niederlage nicht anzuerkennen. Trump sagt schon seit Wochen, er könne die Wahl nur durch Betrug verlieren.
Sorgen bereitet auch, dass Trump seine Anhänger aufgerufen hat, am 3. November als inoffizielle Wahlbeobachter aufzutreten, um angeblichen Wahlbetrug zu dokumentieren. Die Demokraten prangern das als Versuch an, potenziell demokratische Wähler, etwa Afroamerikaner, einzuschüchtern und von der Stimmabgabe abzuhalten.
Wird am 3. November der Sieger feststehen?
Ein Wahlabend mit klarem Sieger – das dürfte es in diesem Jahr nicht geben. Das liegt zum einen an der Vielzahl der Briefwahlstimmen, deren Auszählung sich ziehen wird.
Ein mögliches Szenario dabei: Weil besonders viele Wähler der Demokraten per Post abstimmen wollen und deswegen nicht ins Wahllokal gehen, könnten Prognosen zunächst den Eindruck erwecken, als habe Trump gewonnen, obwohl letztlich Biden die meisten Stimmen erhält. Das wiederum dürfte Trump als Anlass für neue Betrugsvorwürfe nehmen.
Beide Kandidaten, vor allem aber Trump, könnten zudem bei einer Niederlage juristisch gegen das Ergebnis vorgehen. Der Amtsinhaber verweigert bislang die Zusage, dass er eine Abwahl akzeptieren würde. Der Streit könnte, wie schon bei der Präsidentschaftswahl 2000, bis vor den Obersten Gerichtshof gehen, in dem konservative Richter die Mehrheit stellen.
Droht den USA Chaos nach der Wahl?
Neben juristischen Auseinandersetzungen haben Beobachter eine Reihe weiterer Schreckensszenarien an die Wand gemalt: Trump könnte bei einer Niederlage Druck auf die Wahlbehörden einzelner Bundesstaaten ausüben, Stimmzettel beschlagnahmen lassen, die Nationalgarde aktivieren oder seine Anhänger zum Widerstand aufrufen. Beobachter befürchten in diesem Fall gewaltsame Zusammenstöße rechter und linker Aktivisten.