Ein wahrer Wahlkrimi um das Weiße Haus

Weißes Haus, USA
Weißes Haus, USA

Eine tödliche Pandemie, Schwierigkeiten bei der Briefwahl, ein Präsident, der pausenlos angeblichen Wahlbetrug anprangert, und ein Wahlabend, bei dem es noch keinen Sieger geben könnte: Die US-Präsidentschaftswahl am 3. November droht ein wahrer Krimi zu werden. Die wichtigsten Fragen im Überblick:

Welche Schwierigkeiten gibt es bei der Briefwahl?

Bei der Präsidentschaftswahl 2016 wurden rund 33 Millionen der 137 Millionen Wählerstimmen per Post abgegeben, also knapp jede Vierte. In diesem Jahr könnte sich die Zahl der Briefstimmenwähler wegen der Corona-Pandemie mehr als verdoppeln.

Das ist eine gewaltige logistische Herausforderung für die Wahl-Organisatoren. Unterlagen müssen rechtzeitig verschickt werden und dann fristgerecht ausgefüllt wieder bei den Wahlbehörden ankommen. Verzögerungen könnten dazu führen, dass Millionen Stimmen nicht gezählt werden. Im Sommer sorgten Vorwürfe gegen Präsident Donald Trump für Aufregung, er wolle die Post gezielt schwächen, um die Briefwahlen zu torpedieren.

Ein weiteres Problem: Die Auszählung von Briefwahlstimmen ist besonders zeitaufwändig. Gerade bei einem engen Rennen in einem Schlüsselstaat könnte es deswegen Tage oder gar Wochen dauern, bis der Sieger feststeht.

Während in vielen Bundesstaaten die Briefwahlbögen spätestens am 3. November im Wahllokal eingegangen sein müssen, reicht in anderen Bundesstaaten ein Poststempel vom 3. November. Im wichtigen Pennsylvania etwa werden Briefwahlstimmen auch dann berücksichtigt, wenn sie bis zu drei Tage nach dem Wahltag eingegangen sind. Eine Klage von Trumps Republikanern dagegen scheiterte kürzlich vor dem Obersten US-Gerichtshof.

Droht Wahlbetrug in großem Stil?

Seit Monaten macht Trump Stimmung gegen Briefwahlen und behauptet, diese seien besonders betrugsanfällig. Behörden und Experten widersprechen energisch: Betrug bei Briefwahlen ist demnach sehr selten. Zwar kommt es immer wieder zu Fehlern, etwa wenn Wahlbehörden zehntausende Briefe mit den falschen Kandidaten verschicken. Wahlbetrug ist das aber nicht. 

Kritiker werfen dem Präsidenten vor, mit seinen Äußerungen schon jetzt Zweifel am Wahlergebnis schüren zu wollen – um dann eine mögliche Niederlage nicht anzuerkennen. Trump behauptet schon seit Monaten, er könne die Wahl gegen den Demokraten Joe Biden nur durch Betrug verlieren. Er hat es wiederholt abgelehnt zuzusagen, dass er eine Abwahl akzeptieren würde.

Welche Probleme drohen am Wahltag?

Trump hat seine Anhänger aufgerufen, am 3. November als inoffizielle Wahlbeobachter aufzutreten, um angeblichen Wahlbetrug zu dokumentieren. Die Demokraten prangern das als Versuch an, potenziell demokratische Wähler, etwa Afroamerikaner, einzuschüchtern und von der Stimmabgabe abzuhalten.

Medienberichten zufolge wurde schon bei der laufenden vorzeitigen Stimmabgabe an vielen Orten ein konfrontatives Verhalten von Trump-Anhängern registriert. Besondere Sorgen bereitet, dass Trump bei vielen rechten, bewaffneten Milizen großen Rückhalt genießt.

Wird am 3. November der Sieger feststehen?

Ein Wahlabend mit klarem Sieger: Das könnte – manche sagen: dürfte – es in diesem Jahr nicht geben. Das liegt zum einen an der Vielzahl der Briefwahlstimmen, deren Auszählung sich hinziehen wird und die in besonders umkämpften Bundesstaaten den Ausschlag geben könnten.

Ein mögliches Szenario dabei: Weil besonders viele Wähler der Demokraten per Post abstimmen wollen und deswegen nicht ins Wahllokal gehen, könnten Nachwahlbefragungen zunächst den Eindruck erwecken, als habe Trump gewonnen, obwohl letztlich Biden die meisten Stimmen erhält. Das wiederum dürfte Trump als Anlass für neue Betrugsvorwürfe nehmen.

Droht den USA Chaos nach der Wahl?

Beide Kandidaten, vor allem aber Trump, könnten bei einer Niederlage juristisch gegen das Ergebnis vorgehen. Der Streit könnte, wie schon bei der Präsidentschaftswahl 2000, bis vor den Obersten Gerichtshof gehen, in dem konservative Richter die Mehrheit stellen.

Neben juristischen Auseinandersetzungen haben Beobachter eine Reihe weiterer Schreckensszenarien skizziert: Trump könnte bei einer Niederlage Druck auf die Wahlbehörden einzelner Bundesstaaten ausüben, Stimmzettel beschlagnahmen lassen, die Nationalgarde aktivieren oder seine Anhänger zum Widerstand aufrufen. In diesem Fall wären gewaltsame Zusammenstöße rechter und linker Aktivisten zu befürchten.

Natürlich gibt es auch einen anderen möglichen Wahlausgang: einen klaren Sieg des einen oder anderen Kandidaten, den der unterlegene Rivale akzeptiert.

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