Die Grünen sehen die Schaf- und Ziegenhaltung in Deutschland gefährdet und fordern eine Weidetierprämie zur Rettung der Branche. „Hier muss die Bundesregierung endlich ihre ideologische Blockadehaltung ablegen und den Berufsstand sowie unsere Artenvielfalt schützen“, sagte die parlamentarische Fraktionsgeschäftsführerin, Steffi Lemke, am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Neben den Grünen fordern Linke und Bundesrat seit längerem eine staatliche Prämie von 30 Euro pro Muttertier.
Lemke warnte insbesondere vor einem „Niedergang der Wanderschäferei“, bei der Schäfer mit ihren Herden durch das Land ziehen und meist nicht von der sogenannten Flächenprämie für Landwirte profitieren. Eine „verfehlte Agrar-Förderpolitik der Bundesregierung“ habe betroffene Tierhalter in den vergangenen Jahren zunehmend in finanzielle Schieflage gebracht und zur Aufgabe gezwungen, kritisierte Lemke. Damit sei auch das beweidete Grünland als Rückzugsort für bedrohte Arten in Gefahr.
Eine Prämie für Weidetiere sei in 20 EU-Staaten „bereits gängige Praxis“, betonten die Grünen und verwiesen auf ein aktuelles Bundestagsgutachten zur Schafhaltung, das AFP vorlag. Demnach sieht die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU sogenannte gekoppelte Direktzahlungen für bedürftige Agrarbereiche vor. Die Schaf- und Ziegenhaltung mache EU-weit knapp 13 Prozent der gekoppelten Agrarzahlungen aus. Auch die Bundesländer Bayern, Hessen, Thüringen und Sachsen zahlen ihren Hirten den Angaben zufolge Prämien nach Herdengröße.
Die Bundesregierung lehnte eine „gekoppelte Stützung für die Weidetierhaltung von Schafen und Ziegen“ auf Bundesebene allerdings bislang als wettbewerbsverzerrend ab und verwies auf andere GAP-Fördermaßnahmen sowie laufende Verhandlungen auf EU-Ebene. Damit setze die Regierung „die Zukunft dieses ökologisch unersetzlichen und sozial erwünschten Sektors leichtfertig aufs Spiel“, kritisierten die Grünen.
Der Bundesrat hatte bereits im vergangenen Jahr eine bundeseinheitliche Prämie gefordert, um die Halter von Weidetieren zu unterstützen – und mit ihnen die Artenvielfalt. Anderweitige Förderungen „haben bisher den Trend des Bestandsabbaus nicht stoppen können“, erklärten die Länder damals.
Gut 1,5 Millionen Schafe gab es nach Angaben der Bundesregierung im November 2019 in Deutschland. Der Bestand nahm im vergangenen Jahrzehnt leicht ab. Deutlicher ist die Entwicklung bei der Zahl der Wanderschäfer: Im Jahr 1999 gab es noch etwa 300 Betriebe mit mindestens 300 Mutterschafen und einer Fläche von höchstens 50 Hektar – im Jahr 2010 waren es noch 125, im Jahr 2016 dann nur noch knapp 100 Betriebe.