Kontroverse Reaktionen auf Neuregelung der EU-Fahrgastrechte im Bahnverkehr

Symbolbild: Deutsche Bahn
Symbolbild: Deutsche Bahn

Die Reform der Fahrgastrechte für Bahnreisende in der EU wird in Deutschland kontrovers aufgefasst. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) begrüßte am Donnerstag, dass es EU-weit künftig „klare Regelungen und einen stärkeren Schutz für alle, die mit der Bahn reisen“ gebe. Deutschlands oberster Verbraucherschützer Klaus Müller sieht in der Reform dagegen „nicht mehr als eine Mogelpackung“ für Bahnfahrer.

Nachdem sich EU-Parlament und Mitgliedstaaten bereits Anfang Oktober auf eine Reform der EU-Fahrgastrechteverordnung geeinigt hatten, billigte nun der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments die Neufassung, wie Lambrechts Ministerium am Donnerstag mitteilte. Die Reform sieht Verbesserungen bei der Fahrradmitnahme sowie für Reisende mit eingeschränkter Mobilität vor – zugleich aber auch den Wegfall von Entschädigungsansprüchen bei Verspätungen etwa durch Unwetter. 

Künftig haben Reisende das Recht, ihr Fahrrad in Fern- und Regionalzügen mitzunehmen. „Daher sollen die Bahnunternehmen ihre Züge nach und nach mit einer der voraussichtlichen Nachfrage angemessenen Zahl von Fahrradplätzen ausstatten“, erklärte das Ministerium. Auch müssten die Unternehmen künftig online über die Kapazitäten für Fahrräder informieren und zumindest für reservierungspflichtige Züge auch die Reservierung von Fahrradplätzen ermöglichen.

Für Menschen mit Behinderungen, die häufig Hilfe beim Ein- und Aussteigen benötigen, soll künftig EU-weit nicht nur für Fern-, sondern auch für Regionalzüge ein Recht auf entsprechende Unterstützung gelten. Dabei soll es ausreichen, Unterstützungsbedarf bis zu 24 Stunden vor Abfahrt anzumelden – und nicht mehr 48 Stunden vorher. Die neuen Regeln müssen dem Ministerium zufolge noch formell vom Rat und dem Plenum des Europäischen Parlaments bestätigt werden und sollen dann ab 2023 gelten.

Müller kritisierte, dass die „viel gepriesene Regelung zur Fahrradmitnahme“ erst vier Jahre später als der Rest der Verordnung in Kraft trete. „Vier Fahrradstellplätze – und das reicht gerade für eine Familie – müssen nur dann angeboten werden, wenn neue Waggons beschafft werden oder bestehende Waggons so renoviert werden, dass sie eine neue Zulassung benötigen“, fügte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) hinzu. Außerdem könnten sich Eisenbahnunternehmen auf einzelnen Strecken von der Pflicht befreien lassen, kritisierte er.

Bei Verspätungen müssen Bahnunternehmen nach Angaben des Bundesministeriums künftig keine Entschädigung mehr zahlen, „wenn die Verspätung direkt durch außergewöhnliche Umstände wie extreme Stürme verursacht wurden, die das Unternehmen nicht vermeiden konnte“. Diese Ausnahme gelte jedoch nicht, wenn das Unternehmen die Verspätung – etwa durch sachgemäße Wartung – hätte verhindern können. 

Lambrechts Ministerium erklärte, die Regelung diene „der Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen in Bezug auf andere Verkehrsmittel, deren Betreiber sich schon jetzt auf außergewöhnliche Umstände berufen können“. Müller hingegen bewertete auch diese Neuerung anders: Sie bedeute, „dass jede Blockade der Schienen beispielsweise durch ein Wildschwein künftig als höhere Gewalt gewertet werden könnte“, erklärte der vzbv-Chef. Er befürchtet, dass die Einführung der entsprechenden Klausel von Verkehrsunternehmen letztlich „als Schlupfloch“ genutzt werde, um sich vor Entschädigungszahlungen zu schützen.

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