Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat zu einer schnellen Einigung im EU-Streit um finanzielle Sanktionen bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit aufgerufen. Weil nicht klar sei, ob in der Corona-Pandemie nicht noch „das Schlimmste bevorsteht“, müsse „jeder die notwendige Kompromissbereitschaft“ zeigen, forderte Maas bei einer Pressekonferenz mit seinem polnischen Kollegen Zbigniew Rau am Donnerstag in Berlin. Rau sagte, die Frage der Rechtsstaatlichkeit an die Auszahlung der Mittel zu knüpfen sei „keine gute Lösung“.
Ganz Europa warte auf das im Juli von den EU-Staaten beschlossene Finanzpaket, sagte Maas. Diese Mittel müssten „zeitnah“ freigegeben werden, um die wirtschaftliche Erholung in den von der Pandemie am stärksten betroffenen Staaten zu unterstützen. „Wichtig ist, dass wir zügig einen Kompromiss finden“, sagte der Außenminister.
Die EU-Staaten und das Europaparlament verhandeln derzeit über die Möglichkeit, Kürzungen oder Streichungen von EU-Geldern für Mitgliedstaaten bei rechtsstaatlichen Verfehlungen durchzusetzen. Polen und Ungarn, die seit Jahren deshalb in der EU am Pranger stehen, wehren sich vehement gegen eine Verknüpfung der Rechtsstaatlichkeit mit dem EU-Haushalt.
Polens Vize-Regierungschef Jaroslaw Kaczynski hatte der EU „Erpressung“ vorgeworfen und mit einem Veto beim europäischen Haushalt und dem eng damit verbundenen Corona-Hilfsfonds gedroht. Der Hilfsfonds umfasst 750 Milliarden Euro, seine Auszahlung ist ab Anfang des kommenden Jahres geplant. Auch Ungarn hatte mit seinem Veto gedroht.
Brüssel wirft der rechtskonservativen Regierung in Warschau vor, die Unabhängigkeit der Justiz geschwächt zu haben. Polens Regierung verteidigt die Maßnahmen unter anderem als Korruptionsbekämpfung.