RKI warnt vor bis zu 10.000 Corona-Neuinfektionen am Tag

Lothar Wieler / RKI - Bild: John Macdougall/Pool via REUTERS
Lothar Wieler / RKI - Bild: John Macdougall/Pool via REUTERS

Angesichts des sprunghaften Anstiegs von Corona-Neuinfektionen hat das Robert-Koch-Institut (RKI) vor einer unkontrollierten Verbreitung des Virus in Deutschland gewarnt. Es sei „möglich, dass wir mehr als zehntausend neue Fälle pro Tag sehen und dass sich das Virus unkontrolliert verbreitet“, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler am Donnerstag in Berlin. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zeigte sich besorgt und rief eindringlich zur Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln auf.

Die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen ist dem RKI zufolge von Mittwoch auf Donnerstag auf 4058 gestiegen. Am Mittwoch hatte die Zahl noch bei 2828 gelegen. Derzeit sei unklar, „wie sich die Lage in Deutschland in den nächsten Wochen entwickeln wird“, sagte Wieler. Er hoffe aber, „dass wir es schaffen, die Infektionen auf einem Level zu halten, mit dem wir umgehen können“. Der bisherige Höchstwert an Neuinfektionen war Anfang April mit 6156 Fällen erreicht worden.

Wieler äußerte zugleich die Befürchtung, dass sich wieder mehr ältere Menschen infizieren könnten. Das Durchschnittsalter der Betroffenen sei im Sommer gesunken und steige jetzt wieder an. 

Spahn rief eindringlich zur Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln auf. „Diese Pandemie ist auch ein Charaktertest für uns als Gesellschaft“, sagte Spahn auf der  Pressekonferenz. „Wenn 80 Millionen mitmachen, sinken die Chancen des Virus gewaltig.“

Den Anstieg der Neuinfektionen bezeichnete Spahn als „besorgniserregend“. Er wies aber zugleich darauf hin, dass im Verhältnis dazu die Zahl der Todesfälle gesunken sei. Deutschland sei „bislang gut durch die Krise gekommen“, sagte er. Es liege nun „an uns allen selbst, ob wir es schaffen, das Erreichte zu sichern“, sagte der Minister.

Zurückhaltend äußerte sich der Gesundheitsminister zu der Entscheidung der meisten Bundesländer, Menschen aus inländischen Risikogebiete den Zugang zu Hotels zu verwehren. Er habe zwar Verständnis für die Sorgen der Länder. Besser als ein solches „Beherbergungsverbot“ sei es aber, bei stärkeren Ausbrüchen „vor Ort“ zu agieren, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. 

Spahn wandte sich auch gegen die Debatte über einen zweiten Lockdown. Es existiere inzwischen viel mehr Wissen über die Ausbreitung. Es gebe im Einzelhandel oder dem öffentlichen Nahverkehr kaum Ausbrüche. Maßnahmen seien hingegen notwendig bei Feiern und Veranstaltungen.

Nach Einschätzung von Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) steht Deutschland an der Schwelle zu einer zweiten Corona-Infektionswelle. In einigen Großstädten stiegen die Infektionszahlen „sehr, sehr schnell“ an, sagte Braun den Sendern RTL und n-tv.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft teilte mit, dass derzeit mehr als 30.000 für Covid-19-Patienten geeignete Intensivbetten zur Verfügung stünden. Darüber hinaus könnten 12.000 weitere Intensivbetten „kurzfristig aktiviert“ werden. Diese Zahlen lägen „weit über dem Niveau anderer europäischer Länder“.

Nach Angaben von RKI-Chef Wieler waren zuletzt 470 Intensivbetten mit Corona-Patienten belegt. Diese Zahl habe sich in den vergangenen Wochen verdoppelt.

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) sagte, dass ihr die Entwicklung der Infektionszahlen „wirklich Sorge“ bereite. Der Anstieg zeige, „dass wir weltweit und in Deutschland die Pandemie noch lange nicht hinter uns haben“, sagte die Ministerin.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will am Freitag mit den Bürgermeistern von elf deutschen Großstädten über die steigenden Corona-Infektionszahlen beraten. Die Kanzlerin will sich nach Angaben eines Regierungssprechers „über die Corona-Lage und die vor Ort eingeleiteten Maßnahmen informieren“. Die Bürgermeister vertreten Städte, die derzeit besonders hohe Infektionsraten verzeichnen.

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