Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) hat im Fall des Giftanschlags auf den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny den deutschen Befund bestätigt. Dem Kreml-Kritiker entnommene Proben enthielten ein Nervengift aus der Nowitschok-Gruppe, wie die Organisation am Dienstag bekanntgab. In den Blut- und Urinproben seien „Cholinesterase-Hemmer“ gefunden worden. Damit bestätigte die Organisation die Analyse eines Bundeswehr-Labors sowie von Instituten in Schweden und Frankreich.
Die Ergebnisse gäben „Anlass zu ernster Besorgnis“, erklärte der Chef der Organisation mit Sitz in Den Haag, Fernando Arias. Demnach entnahmen Experten der OPCW selbst in Deutschland die Proben bei Nawalny. Die gefundenen Spuren in den Nawalny-Proben hätten ähnliche strukturelle Eigenschaften wie die toxischen Chemikalien, die in zwei Nowitschok-Substanzen gefunden wurden, die 2019 von der OPCW verboten wurden.
Der bekannte Kreml-Kritiker war am 20. August auf einem Flug vom sibirischen Tomsk nach Moskau zusammengebrochen. Zwei Tage später wurde er auf Drängen seiner Familie und Unterstützer zur Behandlung in die Berliner Universitätsklinik Charité gebracht.
Ein Bundeswehr-Speziallabor kam dann zu dem Schluss, dass Nawalny mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der sogenannten Nowitschok-Gruppe vergiftet worden war. Moskau weist den Verdacht zurück, staatliche russische Stellen könnten Nawalny gezielt vergiftet haben.
Die Bundesregierung hatte die OPCW um Unterstützung bei der Analyse von den Proben Nawalnys gebeten. Mit den am Dienstag veröffentlichten Ergebnissen bestätige sich „erneut der zweifelsfreie Nachweis, dass Alexej Nawalny Opfer eines Angriffs mit einem chemischen Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe geworden ist“, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Bei dem verwendeten Stoff handele es sich um einen nicht öffentlich bekannten Nervenkampfstoff, der nicht von der OPCW gelistet sei.
Über weitere Schritte werde es in den kommenden Tagen im Exekutivrat der OPCW und zusammen mit den EU-Partnern einen engen Austausch geben, erklärte Seibert weiter. „Jeder Einsatz von Chemiewaffen ist ein gravierender Vorgang und kann nicht ohne Konsequenzen bleiben.“ Die Bundesregierung forderte Russland außerdem erneut auf, sich zu den Geschehnissen zu erklären.
Moskau wies am Dienstag abermals jede Verantwortung zurück und sprach von einem „Verschwörungsszenario“, das „im Voraus geplant“ worden sei. In einer Stellungnahme kündigte das russische Außenministerium zudem an, bald die „zeitliche Abfolge der Manipulationen hinter den Kulissen“ vorzulegen, die von den „Hauptfiguren in diesem Spektakel“ vorgenommen worden seien.
Nawalny kündigte unterdessen an, innerhalb von wenigen Monaten nach Russland zurückzukehren. Seine Behandlung in Berlin könne „noch drei Wochen oder zwei Monate dauern, definitiv aber nicht ein Jahr“, sagte Nawalny am Dienstag in einem Interview mit dem bekannten russischen Blogger Juri Dud.
Nicht nach Russland zurückzukehren sei keine Option, machte der 44-Jährige deutlich. Seit seiner Entlassung aus der Charité am 22. September unterzieht sich Nawalny einer Reha-Therapie in Deutschland.
Das am Dienstag veröffentlichte Video wurde bereits mehr als 1,8 Millionen Mal angesehen. Der Putin-Kritiker berichtet darin, seine Hände würden weiterhin zittern, wenn er eine Flasche Wasser halte. Insgesamt gehe es ihm aber „wirklich viel besser“.