Es war nicht die Zeit an der Seite von Harald Schmidt, auf die Herbert Feuerstein im Lebensrückblick stolz war. Auch nicht seine preisgekrönten Fernsehreportagen oder seine geistreichen mehrstündigen Liveshows. Nein, auf seine 20 Jahre als Chef des anarchistischen „Mad“-Magazins war der nun gestorbene Feuerstein stolz. „Stöhn“, „Lechz“, „Würg“ und „Hechel“ waren „Mad“-Wortschöpfungen, die er auf seinen Grabstein wünschte.
Um den mit 83 Jahren verstorbenen Feuerstein war es schon vor einigen Jahren still geworden. „Ich möchte meine Ruhe haben“, sagte er vor seinem 80. Geburtstag der „Süddeutschen Zeitung“ zu seinen nicht mehr vorhandenen Zukunftsplänen. Damit dürfte eine zum 80. Geburtstag von ihm erstellte Radiosendung einer seiner letzten Geistesblitze gewesen sein. „Schöner erben“ nannte er die Sendung hintersinnig.
Der am 15. Juni 1937 im Bahnhofsgebäude im österreichischen Zell am See geborene Feuerstein gab seiner Autobiografie den Titel „Die neun Leben des Herrn F.“, ein humorvoller Parforceritt durch seine Vita. „In Salzburg versucht Herbert Feuerstein aufzuwachsen, wird aber nur 1,65“, heißt das erste Kapitel. Gags über seine Größe waren sein ständiger Begleiter.
Der Satz über die Kindheit klingt humorvoller, als sie tatsächlich war. Den eigenen Vater beschrieb Feuerstein als Nazi, die Mutter als abweisend. Die familiäre Kälte behinderte seinen Tatendrang jedoch nicht. Schnell stellte sich heraus, dass der Junge musisch begabt war. Nach dem Abitur begann er ein Musikstudium am Wiener Mozarteum. Doch Feuerstein flog 1959 wegen Beleidigung des Hochschulpräsidenten von der Schule.
In den 60er Jahren wanderte er als Journalist in die USA aus. Dort entstand auch der Kontakt zu dem in den USA erfolgreichen „Mad“-Magazin, das er dann bald in Deutschland führte.
„Mad“ mit seiner zentralen Figur Alfred E. Neumann bekam von Feuerstein einen eigenen deutschen Anstrich verpasst und avancierte zu einem Bestseller. Bis zu seinem Ausstieg 1992 wurden fünf Millionen Bücher und 50 Millionen Hefte verkauft. Und Feuerstein wurde mit diesem trashigen Humor ein reicher Mann, weil er sich eine Umsatzbeteiligung ausgehandelt hatte.
„Stöhn“, „ächz“, „hechel“ oder „lechz“ – diese Lautmalereien hielten nur dank Feuerstein Einzug in die Jugendsprache. Auf den Ausstieg bei „Mad“ folgte der Einstieg in Radio und Fernsehen. Vor allem im Fernsehen wuchs seine Popularität rasant.
Im Rateteam der von Harald Schmidt zunächst im WDR und später in der ARD moderierten Show „Pssst!“ entwickelte sich ab 1990 die Symbiose Schmidt-Feuerstein, die später in der zum Kult gewordenen Sendung „Schmidteinander“ perfektioniert wurde: Schmidt bestimmte, Feuerstein wurde gequält – alles zur Unterhaltung des Publikums.
Freunde wurden Feuerstein und Schmidt trotz des gemeinsamen Erfolgs allerdings nie. „Auf persönlicher Ebene hatten wir uns in der Tat nie viel zu sagen“, sagte Feuerstein einmal.
Die Bekanntheit durch „Schmidteinander“ nutzte Feuerstein, um seine eigene Vielseitigkeit zu zeigen. Der dreimal verheiratete Journalist ging auf „Feuersteins Reisen“, produzierte Fernsehfilme, wurde Kino- und Theaterschauspieler und widmete sich gerade in seinem Spätwerk wieder der Musik.
Doch nicht die Musik nannte er im Alter seine Triebfeder, sondern den Tod. Thanatos, den von Siegmund Freud in die Psychoanalyse eingeführten Todestrieb, nannte Feuerstein im Magazin „Cicero“ einmal seinen Lieblingstrieb.
„Der Tod ist mein Freund und Begleiter, der steht immer hinter mir“, sagte Feuerstein damals. Manchmal meine er, schon längst tot zu sein, seit 40 Jahren oder so. Ein Irrtum, zum Glück – nachdem im vergangenen Jahr das „Mad“-Magazin endgültig eingestellt wurde, überlebte Feuerstein sogar die „Mad“-Titelfigur Alfred E. Neumann.