Ob als Speicher für überschüssige Windenergie, als Kohleersatz in den Hochöfen von Stahlwerken oder als CO2-neutraler Treibstoff für Flugzeuge oder Schiffe der Zukunft: Wasserstoff soll in Deutschland und Europa eine zentrale Rolle dabei spielen, Treibhausgase einzusparen und damit die Erderwärmung abzubremsen. Allerdings: Für eine nachhaltige Wasserstoffwirtschaft gibt es noch zahlreiche Hürden.
WAS IST DAS BESONDERE AN WASSERSTOFF?
Wasserstoff soll als Alternative zu fossilen Energieträgern eine Schlüsselrolle bei der Energiewende einnehmen. Verfügbar ist Wasserstoff zuhauf – in der Natur kommt das Element (chemisches Symbol: H) beispielsweise in Wasser vor.
Allerdings ist Wasserstoff fast ausschließlich in chemischen Verbindungen vorhanden. Im Fall von Wasser (H2O) muss diese Verbindung in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten werden. Und für diese Aufspaltung ist viel Energie nötig. Stammt der dafür verwendete Strom von Windrädern, Solaranlagen oder anderen erneuerbaren Energieträgern, wird von „grünem“ Wasserstoff gesprochen.
Das Verfahren wird auch als Power-to-Gas (Strom zu Gas) bezeichnet, das wiederum zu den Power-to-X-Technologien (PtX-Technologien) gehört. Diese Technologien stehen übergreifend für eine ganze Reihe verschiedener Umwandlungsprozesse. Diese beziehen sich einerseits auf die Speicherung und spätere Nutzung von Energie. Andererseits ermöglicht PtX die Herstellung von Stoffen, die in Produktionsprozesses benötigt werden. Dabei gibt es etwa die Möglichkeit der Transformation des Stroms in flüssige Kraftstoffe, in Wärme oder in chemische Grundstoffe für die Industrie.
WO LÄSST SICH GRÜNER WASSERSTOFF EINSETZEN?
Potenziale gibt es etwa in den Bereichen, in denen in absehbarer Zukunft nur mit großem Aufwand eine Versorgung direkt mit Strom möglich wäre – etwa beim Schiffsverkehr oder in der Luftfahrt. Bedeutung hat Wasserstoff auch bei der Herstellung synthetischer Kraftstoffe.
Einen Schub hin zur CO2-Neutralität verleihen soll Wasserstoff auch der Industrie. Nach Angaben der Power-To-X-Allianz, der sich eine Reihe von Unternehmen vor allem aus der Energiewirtschaft angeschlossen haben, haben vor allem die Chemieindustrie und Raffinerien einen hohen Verbrauch an Wasserstoff, den sie bislang vor allem aus fossilen Rohstoffen gewinnen. Ein Beispiel für die Verwendung von grünem Wasserstoff sind auch die Hochöfen von Stahlwerken, in denen damit die sogenannte Einblaskohle ersetzt werden soll.
WELCHE BEDENKEN GIBT ES?
Noch sind Aufwand und Kosten für die Technik vergleichsweise groß. Die Bundesregierung setzt deshalb auf „Skaleneffekte“ in der Produktion, also darauf, dass große Nachfragemengen die Herstellung kostengünstiger machen und sich teure Produktionsumstellungen rentieren.
Dafür ist neben einem großen Absatzmarkt und internationaler Kooperation allerdings auch Zeit nötig. Die EU-Kommission etwa peilt an, dass bis 2024 die Produktion von sauberem Wasserstoff auf eine Millionen Tonnen steigt und bis 2030 auf zehn Millionen Tonnen. Zum Vergleich: Derzeit werden nach EU-Angaben 9,8 Millionen Tonnen Wasserstoff in Europa vor allem durch den Einsatz fossiler Energieträger produziert.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie betont zwar die große Bedeutung von Wasserstoff, hält aber zugleich den Aufbau eines globalen Wasserstoffmarktes für nötig – denn Deutschland werde langfristig Energie-Importeur bleiben.
Hintergrund ist, dass in Deutschland Wind und Sonne nicht genügend Energie liefern, um in Zukunft den Bedarf an grünem Wasserstoff zu decken. Das Bundesforschungsministerium setzt deshalb unter anderem darauf, dass es Partnerschaften mit afrikanischen Ländern gibt. Noch ist der Transport von Wasserstoff allerdings mit hohem Aufwand verbunden, da der Wasserstoff dafür in der Regel verflüssigt werden muss. In diesem Bereich wird aktuell geforscht.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) betont, dass Power To X nicht per se klimafreundlich sei. Nötig seien deshalb von Anfang an verbindliche Nachhaltigkeitsregeln für die Technologie. Verbraucherschützer mahnen, dass der Ausbau der Wasserstoffwirtschaft nicht zulasten von Privatleuten gehen dürfe. Kosten etwa für Wasserstoffnetze dürften nicht auf Verbraucher abgewälzt werden.
Das Bundeswirtschaftsministerium betont, dass sich aus der Wasserstoff-Technologie und einem daraus resultierendem „globalen Milliardenmarkt“ auch „neue Wertschöpfungspotenziale“ und „viele zukunftsfähige Arbeitsplätze“ ergeben könnten.