Wie verlässlich sind Umfragen vor der US-Präsidentschaftswahl wirklich?

Symbolbild: Wahlen in den USA
Symbolbild: Wahlen in den USA

Die Demokraten als Favoriten, Donald Trump als Außenseiter: Vor der US-Präsidentschaftswahl werden Erinnerungen an 2016 wach. Damals hatte der Republikaner in Umfragen hinten gelegen – und dann doch die Wahl gewonnen. Könnte sich dieses Szenario am 3. November wiederholen?

Was sagen die Umfragen derzeit voraus?

Einen Sieg – womöglich sogar einen sehr deutlichen – für Trumps demokratischen Herausforderer Joe Biden. Der frühere Vizepräsident liegt in landesweiten Umfragen im Schnitt rund zehn Prozentpunkte vor Trump. Das ist nur sehr bedingt aussagekräftig, weil es bei der Wahl auf das Ergebnis in den einzelnen Bundesstaaten ankommt. Doch auch in besonders wichtigen Schlüsselstaaten liegt Biden derzeit vorn, hier aber mit deutlich geringerem Vorsprung.

Beobachter mahnen Vorsicht an: Vor der Präsidentschaftswahl 2016 hatte die Demokratin Hillary Clinton ebenfalls vor Trump gelegen – um dann zu verlieren. „Die Umfragen lagen beim letzten Mal falsch, und sie liegen dieses Mal noch falscher“, sagt Trump. Und die Demokraten befürchten eine Wiederholung des Debakels von 2016. Bidens Wahlkampfmanagerin Jen O’Malley Dillon warnte kürzlich, das Rennen sei „viel enger“ als häufig dargestellt.

Was lief bei den Umfragen 2016 schief?

Trumps überraschender Wahlsieg vor vier Jahren hat das Vertrauen in Umfragen massiv beschädigt. Tatsächlich aber lagen die landesweiten Umfragen ziemlich richtig: Clinton gewann 2016 insgesamt rund drei Millionen Wählerstimmen mehr als Trump. Das Problem waren eher Umfragen in einzelnen Bundesstaaten. 

„Die Umfragen lagen in einigen der Swing States im Mittleren Westen daneben“, sagt Chris Jackson vom Meinungsforschungsinstitut Ipsos Public Affairs. Trump gewann 2016 entgegen der Prognosen Michigan, Pennsylvania und Wisconsin – eigentlich eher demokratisch geprägte Bundesstaaten –  mit minimalem Vorsprung. Letztlich entschieden nur einige zehntausend Wählerstimmen über den Ausgang der gesamten Präsidentschaftswahl.

Wahlforschern unterlief 2016 ein zentraler Fehler: Bürger ohne Hochschulabschluss waren in ihren Umfragen unterrepräsentiert. Gerade weiße Männer ohne höheren Bildungsabschluss stimmten vor vier Jahren für Trump. Viele Meinungsforschungsinstitute haben ihre Methoden inzwischen angepasst, um diese Wählergruppe besser im Blick zu haben.

Was ist 2016 anders als 2020?

Ein wichtiger Unterschied sind die Kandidaten selbst: Biden ist viel populärer, als es Clinton 2016 war. Das zeigt sich auch in Umfragen: Der Ex-Vizepräsident liegt landesweit seit Monaten konstant vor Trump. Vor der Wahl 2016 hatte Trump dagegen zwischenzeitlich Clinton überholt.

Trump wiederum ist anders als vor vier Jahren kein schillernder Quereinsteiger mehr: Nach vier Jahren als Präsident wissen die US-Bürger, woran sie mit dem Republikaner sind. Angesichts der fortschreitenden Polarisierung des Landes gibt es zudem nur wenige unentschlossene Wähler, die sich sehr kurzfristig entscheiden könnten.

Halten Trump-Wähler mit ihrer Meinung zurück?

Einige Beobachter warnen, Trump-Wähler könnten angesichts der kontroversen Persönlichkeit und Politik des Präsidenten in Umfragen ihre wahre Präferenz verheimlichen. Deswegen ist immer wieder von den „verborgenen“ Trump-Wählern die Rede. Ein solcher Effekt ist nicht ausgeschlossen. Ob und in welchem Umfang das eine Rolle spielt, ist aber umstritten.

Sind Überraschungen möglich?

Umfragen sind immer nur ein aktuelles Stimmungsbild – keine Prognose für den Wahltag. Und bis zum 3. November kann noch viel passieren, was den Wahlausgang beeinflussen könnte. 2016 waren das etwa neue FBI-Ermittlungen gegen Clinton wegen einer E-Mail-Affäre, die der früheren Außenministerin schwer schadeten.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise?

Die Pandemie erschwert die Arbeit der Meinungsforscher. So ist schwer abzuschätzen, wie groß die Wahlbeteiligung sein wird. Viele Wähler könnten aus Sorge vor einer Ansteckung die Wahllokale meiden. Zugleich machen derzeit besonders viele Wähler von der Möglichkeit Gebrauch, schon vor dem 3. November zu wählen.

„Die Briefwahlen und die persönliche Stimmabgabe vor dem Wahltermin werden ein historisches Niveau erreichen“, sagt Ipsos-Experte Jackson. „Wir wissen nicht, welche Auswirkungen das haben wird.“ 

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