Hunderttausende Deutsche würden gerne länger arbeiten: Insgesamt knapp 2,1 Millionen Erwerbstätige im Alter von 15 bis 74 Jahren wünschten sich im vergangenen Jahr eine längere Arbeitszeit, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Mittwoch mitteilte. Diesen sogenannten Unterbeschäftigten standen demnach knapp 1,5 Millionen überbeschäftigte Erwerbstätige gegenüber, die ihre Arbeitszeit reduzieren und dafür ein geringeres Einkommen akzeptieren wollten.
Die Unterbeschäftigten hatten laut Statistikamt im Jahr 2019 eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 29,3 Stunden und wollten im Schnitt gerne 10,3 Stunden mehr arbeiten. „Überbeschäftigte arbeiteten dagegen durchschnittlich 41,5 Stunden pro Woche und wünschten sich eine Verkürzung um 10,7 Stunden“.
Gerade Frauen „stecken noch viel zu oft in der Teilzeitfalle fest“, kritisierte die Grünen-Abgeordnete Charlotte Schneidewind-Hartnagel. Durch die Corona-Pandemie sei besonders deutlich geworden, wie schwer Arbeit teilweise mit Kinderbetreuung oder Pflege vereinbar ist. Beschäftigte sollten „in einem Bereich von 30 bis 40 Wochenstunden selbst entscheiden können, wie ihre persönliche Vollzeit aussieht“, erklärte die Grünen-Politikerin weiter. Sie forderte außerdem ein „wirksames Rückkehrrecht von Teilzeitbeschäftigten auf ihren vorherigen Stundenumfang“.
Die Bundesregierung müsse die Beschäftigten und ihre Arbeitszeitwünsche mit praxistauglicheren Rechtsansprüchen – beispielsweise auf eine Mindestarbeitsdauer – stärken, forderte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Zimmermann. Es gehe darum, einerseits Arbeitnehmern „ein Mindestmaß an Beschäftigungsumfang zu garantieren“ und andererseits „der Entgrenzung von Arbeitszeit einen Riegel vorzuschieben“. Zimmermann forderte daher außerdem, die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit auf 40 Wochenstunden zu begrenzen und beim Teilzeitanspruch die Schwelle von 15 Beschäftigten in einem Betrieb abzusenken.
Wie die Statistiker weiter mitteilten, arbeitete ein Vollzeitbeschäftigter in Deutschland im selben Jahr durchschnittlich 41,3 Stunden in der Woche. Im Westen und besonders unter Männern war die Arbeitszeit etwas länger, in Ostdeutschland sowie unter Frauen fiel sie geringer aus.
Ein Beschäftigter in Teilzeit arbeitete den Angaben zufolge im vergangenen Jahr 20,2 Stunden pro Woche. Auch hier gab es deutliche Unterschiede zwischen West und Ost: Teilzeitbeschäftigte in Ostdeutschland arbeiteten im Durchschnitt länger. Die Statistiker verwiesen insbesondere darauf, dass teilzeitbeschäftigte Frauen im Westen „insgesamt seltener und in geringerem Ausmaß den Wunsch nach einer Erhöhung der Arbeitszeit“ geäußert hätten als im Osten, obwohl ihre durchschnittliche Wochenarbeitszeit dort mit 24,6 Stunden ohnehin deutlich länger war als in Westdeutschland mit 20,2 Stunden.