Die Amadeu Antonio Stiftung hat vor einer Zunahme von „offenem und ungehemmten Judenhass“ gewarnt und die Bundesregierung zu Gegenmaßnahmen aufgefordert. Diese müssen „den Schutz jüdischen Lebens zur Priorität zu erklären“, teilte die Stiftung am Freitag in Berlin anlässlich der bevorstehenden Veröffentlichung ihres jährlichen Lagebilds zum Antisemitismus in Deutschland mit. Die Regierung müsse Projekte gegen Judenhass langfristig absichern.
Die Stiftung verwies unter anderem auf eine „Hochkonjunktur“ von antisemitischen Verschwörungserzählungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Diese aktualisierten wiederum altbekannte Mythen des Judenhasses – etwa die Legende der „Ritualmorde“, die in der rechten Verschwörungsideologie QAnon eine zentrale Rolle spiele. Antisemitismus zeige sich in allen gesellschaftlichen Bereichen, wobei er zunehmend weniger geächtet und stärker akzeptiert werden.
Aus jüdischer Perspektive sei der Antisemitismus in Deutschland ein „allgegenwärtiges Bedrohungsszenario“, das sich „massiv auf den Alltag auswirkt“, erklärte die Stiftung mit Blick auf die Ergebnisse ihres Lagebilds, das am 9. November zum Jahrestag der sogenannten Reichspogromnacht veröffentlicht werden soll. In dem Bericht sind Analysen von Experten zu dem Problemfeld versammelt.
„Jüdinnen und Juden überlegen sich jeden Tag, welchen Weg sie nehmen, wer im dunklen Auto sitzt und ob der Gottesdienstbesuch auch wirklich sicher ist“, erklärte Stiftungsvorsitzende Anetta Kahane. Die Organisation forderte den Staat auf, konsequent zu reagieren und jüdische Einrichtungen zu schützen. Da Judenhass ganz verschiedene Milieus von Rechtsextremismus bis Islamismus verbinde, brauche es auch eine „gesamtgesellschaftliche Antwort“.