Ihren ersten Auftritt als künftige Vize-Präsidentin der USA widmet Kamala Harris den Frauen: Sie betritt die Bühne in einem weißen Hosenanzug – das Kleidungsstück ist eine Hommage an die Aktivistinnen, die in den 1920er-Jahren das Wahlrecht für Frauen in den USA erkämpft haben. Hundert Jahre hat es gedauert, bis nun zum ersten Mal eine Frau einen so hohen Platz in der US-Regierung einnimmt.
„Ich bin vielleicht die erste Frau in diesem Amt, aber ich werde nicht die letzte sein“, verspricht Harris am Samstagabend der jubelnden Menge in Wilmington im Bundesstaat Delaware. Für viele Anhängerinnen der Demokraten ist der Sieg von Joe Biden und Harris in der US-Präsidentenwahl auch deshalb so bedeutend, weil sie die Niederlage von Hillary Clinton, die beinahe die erste weibliche Präsidentin der USA geworden wäre, noch schmerzhaft in Erinnerung haben.
„Es ist unglaublich, wir haben noch nie eine Frau gesehen, die so weit auf der Leiter der Macht nach oben geklettert ist“, freut sich die New Yorker Immobilienmaklerin Devi Kowlessar, die wie Harris indische Wurzeln hat. „Sie repräsentiert so viel. Sie könnte unsere nächste Präsidentin werden!“
Auch unter britischen Buchmachern gilt Harris vielen bereits als Favoritin für die Wahl im Jahr 2024. Und ihre Unterstützer sind sich sowieso sicher, dass die 56-Jährige eine vielversprechende Zukunft hat. Schon seit Wochen sind immer wieder Schilder zu sehen mit der Aufschrift „Harris 2024“ oder „Harris-Biden 2024“.
„Kamala ist die Zukunft“, sagt die afroamerikanische Anwältin Theodora Egbuchulam, die am Samstagabend auf den Straßen in New York den Sieg der Demokraten feiert. „Sie zeigt den Kindern, dass Amerika mehr so ist, wie wir, als wie der typische weiße Mann.“ Die künftige Vize-Präsidentin stehe für eine Zukunft, in der auch Frauen das Land regieren könnten. „Sie ist ein fantastisches Beispiel für junge Mädchen.“
Auch die 29-jährige Unternehmensberaterin Vera Green bezeichnet Harris Sieg als wichtigen Meilenstein: „Die gläserne Decke ist durchbrochen worden!“, jubelt sie und bezieht sich dabei auf den sogenannten Glass-Ceiling-Effekt, der Frauen häufig davon abhält, nach oben in Spitzenpositionen in Wirtschaft oder Politik zu kommen. „Frau Vize-Präsidentin ist keine fiktive Figur mehr“, freut sich auch die Schauspielerin Julia Louis-Dreyfus, die diese Rolle in der TV-Serie „Veep“ spielt.
Harris wiederum gedenkt bei ihrer Rede am Samstagabend derer, die den Weg vorangegangen sind: „Generationen von Frauen, Schwarze, Asiatinnen, Weiße, Hispanoamerikanerinnen und Indigene“ – und ihre Mutter, eine gebürtige Inderin, die 2009 an Krebs starb. „Ich stehe auf ihren Schultern.“
Der Vater von Harris ist Jamaikaner, sie selbst ist in Kalifornien geboren. Damit steht Harris für ein Amerika der kulturellen Vielfalt. Sie zur Vize-Kandidatin gemacht zu haben, hat Biden zahlreiche Stimmen eingebracht, die er sonst nicht bekommen hätte. Denn eins haben Biden und US-Präsident Donald Trump trotz ihrer weit auseinandergehenden politischen Ansichten gemeinsam: Sie sind alte weiße Männer.