Der Internationalen Strafgerichtshof: Von Nürnberg nach Den Haag

Internationaler Gerichtshof, Den Haag - Bild: Hypergio, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Internationaler Gerichtshof, Den Haag - Bild: Hypergio, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Vor 75 Jahren begannen in Nürnberg die Prozesse gegen die NS-Verbrecher. Das historische Tribunal legte die Grundlage für den Internationalen Strafgerichtshof, der seit 2002 von Den Haag aus arbeitet. Es ist das weltweit einzige Gericht, das Vergehen wie Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ahndet. Doch die Richter in den Niederlanden haben mit weit größeren Schwierigkeiten zu kämpfen als ihre Vorgänger in Nürnberg.

Die angeklagten Naziführer befanden sich alle bereits in Haft, als am 20. November 1945 der Prozess begann. Deutschland war besetzt und die Alliierten hatten die Kontrolle über die riesigen Mengen an gut dokumentiertem Beweismaterial. Entscheidend aber war der politische Wille vor allem der USA, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. „Mit diesen Vorteilen war das Nürnberger Tribunal natürlich erfolgreich“, sagt Nancy Combs, Jura-Professorin an der William and Mary Law School in Virginia. Die Bedingungen für den Internationalen Strafgerichtshof seien weniger günstig.

Seit seiner Gründung vor 18 Jahren versucht der Strafgerichtshof, Angeklagte festnehmen zu lassen. Gegen den ehemaligen sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir liegt beispielsweise seit zehn Jahren ein Haftbefehl vor, dennoch sitzt er noch immer nicht in Den Haag auf der Anklagebank. Das Verfahren gegen den kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit musste das Gericht mangels Beweisen einstellen. Der frühere Präsident der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo und der kongolesische Politiker Jean-Pierre Bemba mussten freigesprochen werden.

„Die Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs wollen wie die Nürnberger Staatsanwälte hochrangige Führer strafrechtlich verfolgen. Aber ihnen fehlt der politische Rückhalt, um die Verdächtigen festnehmen zu lassen und um an die notwendigen Beweise zu kommen“, sagt Combs. 

Das größte Hindernis ist, dass die USA den Gerichtshof in den Niederlanden nicht anerkennen. Vergangenen Monat ging das Weiße Haus noch einen Schritt weiter: Die Regierung unter Donald Trump verhängte Sanktionen gegen Chefanklägerin Fatou Bensouda und einen weiteren hochrangigen Mitarbeiter des Gerichts. Hintergrund sind die Pläne des Strafgerichtshofs, Kriegsverbrechen in Afghanistan zu untersuchen und damit möglicherweise auch gegen US-Soldaten vorzugehen.

„Die stark polarisierte amerikanische Innenpolitik unterscheidet sich sehr von der der Nachkriegszeit, als die USA eine führende Rolle bei der Durchsetzung internationaler Gerechtigkeit und den Nürnberger Prozessen spielten“, sagt Cecily Rose, Assistenzprofessorin für Völkerrecht an der Universität Leiden in den Niederlanden. „Aber damals waren die USA der ‚Sieger‘, während sie jetzt Gefahr laufen, dass ihre eigenen Armeeangehörigen belangt werden.“

Im Vergleich zu den Nürnberger Prozessen würden die Unzulänglichkeiten des Internationalen Strafgerichtshofs umso deutlicher, sagt Combs. „Aber es ist der politische Kontext, der in erster Linie für den Erfolg in Nürnberg verantwortlich ist – genauso wie für die Schwierigkeiten des Strafgerichtshofs.“

Die Nürnberger Prozesse haben nicht nur das Fundament für heutige Strafgerichtshöfe geschaffen. Sie seien bis heute Inspiration und Vorbild, Gerechtigkeit zu üben, sind sich Juristen einig. „Wenn es schwierig wird, erinnern wir uns an Nürnberg und die Arbeit von Anklägern wie Ben Ferencz“, sagt ein Mitarbeiter des Strafgerichtshofs, der anonym bleiben möchte. Ferencz war einer der Chefankläger in Nürnberg und ist inzwischen hundert Jahre alt. „Er sagte uns, dass es auch damals nicht leicht war und nie leicht sein wird. Und dass wir hartnäckig bleiben müssen.“

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