Der Traditionsfigur des „Zwarte Piet“ geht es an den Kragen

Sinterklaas wird in der nordniederländischen Stadt Groningen empfangen. Dem Bischofsdarsteller zu Pferd geht ein traditioneller Zwarte Piet mit schwarzer Gesichtsfarbe voran. Nach einem Zug durch die Stadt trifft Sinterklaas den Bürgermeister. Rechts im Bild sieht man einen Wachmann. - Bild: Berkh, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Sinterklaas wird in der nordniederländischen Stadt Groningen empfangen. Dem Bischofsdarsteller zu Pferd geht ein traditioneller Zwarte Piet mit schwarzer Gesichtsfarbe voran. Nach einem Zug durch die Stadt trifft Sinterklaas den Bürgermeister. Rechts im Bild sieht man einen Wachmann. - Bild: Berkh, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

An der Traditionsfigur des „Zwarte Piet“ scheiden sich in den Niederlanden schon seit Jahren die Geister. Der schwarze Gefolgsmann des Heiligen Nikolaus, in etwa vergleichbar mit dem Kinderschreck Knecht Ruprecht, bedient nach Ansicht seiner Gegner rassistische Vorurteile, wenn er mit seiner schwarzen Haut und Afro-Look durch die Straßen streift. 

Doch in diesem Jahr setzt die Bewegung „Kick Out Zwarte Piet“ (KOZP) auf spürbare Erfolge in ihrem Bemühen, den Schwarzen Peter aus dem Straßenbild zu verbannen und die Niederländer zu einer Auseinandersetzung mit ihrer kolonialen Vergangenheit zu bewegen. Was dazu beitragen könnte, sind die Protestkundgebungen der Black-Lives-Matter-Bewegung in den USA.

„Es geht nicht nur um den Zwarte Piet, es geht um Macht“, sagt KOZP-Mitgründer Jerry Afriyie, der mit elf Jahren aus Ghana in die Niederlande kam und heute 39 Jahre alt ist. „Es geht um die Macht, wer entscheiden kann, wer Niederländer ist und wer nicht, wer entscheiden kann, ob wir eine rassistische Tradition aufrecht erhalten oder nicht, und wer entscheiden kann, was Rassismus ist und was nicht.“

Die Figur des „Zwarte Piet“ genoss in der Bevölkerung der Niederlande eine große Beliebtheit. Aber 2015 erklärte ein UN-Ausschuss, der schwarz gekleidete Nikolaus-Begleiter werde von vielen auch als „Überrest der Sklaverei“ betrachtet.

Und Afriye weist darauf hin, dass viele Kinder aus schwarzen Familien oder aus Familien anderer ethnischer Minderheiten im Umfeld des Nikolaus-Festes rassistisch behandelt würden. „Wenn andere Kinder in der Schule über einen lachen, wenn sie sagen, dass deine Farbe schmutzig ist oder wenn die Leute einem ‚Zwarte Piet‘ nachrufen, dann fühlt man sich erniedrigt.“

Seit 2011 kämpft Afriyie mit der KOZP für das Verschwinden des „Zwarte Piet“ aus den Volksgebräuchen. Sein Einsatz schlug bisweilen in handfeste Auseinandersetzungen um, als er von Anhängern der Tradition mit Eiern beworfen und verprügelt wurde. 2016 wurde Afriyie, wie ein Video zeigt, von Polizisten mit Faustschlägen und Schlagstöcken traktiert, 2014, so erzählt er, sei er von Polizisten so heftig in den Würgegriff genommen worden, dass er um sein Leben gefürchtet habe.

In diesem Jahr aber stehen die Zeichen auf Wandel. Die „Schwarzen Peter“, die in der Öffentlichkeit auftauchen, sind nicht mehr ganz so schwarz, sondern rußig oder gestreift. Das Online-Netzwerk Facebook verkündete, Darstellungen der Traditionsfigur als eindeutiger „Zwarte Piet“ zu löschen. 

Der US-Bürgerrechtler Jesse Jackson forderte die Niederlande auf, sie sollten auf den Schwarzen Peter vollends verzichten. Die Welle der Proteste hat auch Ministerpräsident Mark Rutte zum Umdenken bewegt. Hatte er noch in den Vorjahren die Ansicht vertreten, der Schwarze Peter sei „nichts weiter als schwarz“, so erklärte er nun, er stelle sich darauf ein, dass diese Traditionsfigur aussterbe.

Für Afriyie sind dies Anzeichen für einen allgemeinen Umschwung. Die Proteste der Black-Lives-Matter-Bewegung in den USA hätten dazu geführt, dass „vor allem junge Leute“ ihre persönliche Lebenslage überdacht hätten, sagt Afriyie. Dabei hätten sie festgestellt, dass ihnen seit Jahren immer dieselbe Geschichte aufgetischt worden sei. Dann sei noch hinzugekommen, dass wegen der Corona-Pandemie viele „Zwarte Piet“-Umzüge abgesagt wurden. 

Afriyie würde nun gerne noch weiter gehen, so wie die Stiftung Nederland Wordt Beter (Die Niederlande werden besser) es empfiehlt. Demnach müsste nicht nur auf den Schwarzen Peter bei Umzügen verzichtet werden, sondern die Niederlande müssten Unterricht zu ihrer kolonialen Vergangenheit und „ein Gedenken aus Anlass der Abschaffung der Sklaverei“ einführen.

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