Drohende Justizschlacht um Ausgang der US-Präsidentschaftswahl

US-Wahlen 2020 - Bild: FLASH TV
US-Wahlen 2020 - Bild: FLASH TV

Bei der US-Präsidentschaftswahl zeichnet sich ein knapper Wahlausgang ab. Während sich der demokratische Oppositionskandidat Joe Biden angesichts seines wachsenden Vorsprungs vor Amtsinhaber Donald Trump siegessicher zeigte, wiederholte der Präsident seine Wahlbetrugs-Vorwürfe und kündigte eine Klagewelle in mehreren US-Bundesstaaten an. Die nun einsetzende Justizschlacht könnte Trump zugute kommen:

Klagewelle in den Bundesstaaten

Im von Biden gewonnenen Wisconsin verlangt Trumps Wahlkampfteam eine Neuauszählung der Stimmen, in mehreren weiteren Bundesstaaten will es die noch laufende Stimmauszählung stoppen lassen. Im Fokus steht dabei Pennsylvania, wo alle Stimmzettel ausgezählt werden, die bis zu drei Tage nach dem Wahltag beim Wahlleiter eintreffen – sofern sie den Poststempel vom 3. November tragen. Eine Klage gegen dieses Vorgehen hatte der Supreme Court vor der Wahl zwar abgewiesen, die Möglichkeit einer juristischen Prüfung nach der Wahl ließ er jedoch offen.

Sollte Trumps Klage vor dem Supreme Court gegen die verlängerte Stimmauszählung in Pennsylvania erfolgreich sein, hätte dies wahrscheinlich die Ungültigkeit zehntausender per Briefwahl abgegebener Stimmen zur Folge. Experten gehen davon aus, dass vor allem Wähler der Demokraten per Briefwahl abgestimmt haben. Auch in Michigan, wo der Sieg Bidens bereits ausgerufen wurde, und Georgia will Trump die Stimmauszählung gerichtlich stoppen lassen.

Welche Rolle die Zusammensetzung des Supreme Court spielt

Anhänger der Demokraten befürchten eine mögliche Befangenheit des Obersten Gerichtshofs, sollte die Entscheidung über das Wahlergebnis letztlich dort entschieden werden. Seit der umstrittenen Ernennung der Verfassungsrichterin Amy Coney Barrett durch Trump gibt es in dem neunköpfigen Richterkollegium eine deutliche konservative Mehrheit von sechs zu drei Richtern.

Es wäre nicht das erste Mal in der jüngeren US-Geschichte, dass ein Urteil des Supreme Court über den neuen Präsidenten entscheidet. Im Jahr 2000 rief das Wahlkampfteam des Republikaners George W. Bush das Oberste Gericht an, nachdem sein demokratischer Rivale Al Gore eine Neuauszählung der Stimmen im Bundesstaat Florida gefordert hatte. Dort lag Bush mit lediglich 537 Stimmen vorn. Indem der Supreme Court die Neuauszählung verhinderte, machte er faktisch Bush zum Präsidenten. 

Wann der Supreme Court einschreitet

Ob das oberste Gericht sich in die Wahl einschaltet, ist nach Einschätzung von Experten ungewiss – auch weil damit alle Aufmerksamkeit auf die politische Haltung seiner Richter gelenkt würde. Der Juraprofessor Derek Muller von der Universität Iowa sagte, Klagen gegen Stimmauszählungen seien nur bei extrem knappen Ergebnissen erfolgversprechend. Sollte das Wahlergebnis – wie im Jahr 2000 – am Ende von nur einem einzigen Bundesstaat abhängen, sei aber mit einem „sehr ernsthaften Gerichtsverfahren“ zu rechnen.

Politische Handlungsspielräume

Trump wäre nicht zwingend auf die Gerichte angewiesen, um sich im Amt zu halten – es gibt auch eine Reihe politischer Unwägbarkeiten. 

Zum einen gibt ein Bundesgesetz bei umstrittenen Wahlausgängen in einzelnen Bundesstaaten den dortigen Landesparlamenten das Recht, über die Vergabe der Wahlleute zu entscheiden, die letztlich den Präsidenten wählen. 

So könnte Trump Druck auf die republikanisch dominierten Volksvertretungen in den Schlüsselstaaten Michigan, Pennsylvania und Wisconsin ausüben, ihm die dortigen Wahlleute zuzusprechen. Die – allesamt demokratischen – Gouverneure der drei Staaten könnten dagegen Biden die Wahlleute zusprechen. In diesem Fall würde der Machtkampf im Kongress fortgeführt, wobei nicht klar festgelegt ist, wie der Kongress in einem solchen Fall zur Entscheidung kommen soll.

Zum anderen schreibt die US-Verfassung den Mitgliedern des 538-köpfigen Wahlkollegiums keineswegs vor, entsprechend des Wahlausgangs in ihrem jeweiligen Bundesstaat abzustimmen. Zwar hat dies den Ausgang einer Präsidentschaftswahl noch nie verändert: Zwischen 1796 und 2016 scherten insgesamt nur 180 Wahlleute aus. Sollte Biden die Präsidentschaftswahl am Ende mit nur 270 Wahlleuten – dem nötigen Minimum – gewinnen, könnte ein einziger Abweichler ausreichen, um das Wahlergebnis zu sabotieren.

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