Einzelhandel kritisiert strengere Corona-Auflagen im Weihnachtsgeschäft

Weihnachtsgeschäft
Weihnachtsgeschäft

Der Einzelhandel hat die strengeren Corona-Vorschriften für Geschäfte scharf kritisiert – und erwartet weitere Einbußen im Weihnachtsgeschäft. Es gebe „keinen sachlichen Grund, unterschiedliche Regelungen für Verkaufsflächen über und unter 800 Quadratmetern zu erlassen“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands HDE, Stefan Genth. Die neue Quadratmeter-Grenze benachteilige zahlreiche Händler, Supermärkte, Einkaufszentren und Kaufhäuser. Die Hotel- und Gaststättenbranche rechnet derweil nicht damit, dass etwa Restaurants während Lockerungen über die Feiertage öffnen – dies würde sich kurzzeitig nicht rechnen.

Bund und Länder hatten sich am Mittwochabend angesichts weiter hoher Infektionszahlen auf einen Katalog von Maßnahmen für die Wintermonate geeinigt, um die Coronavirus-Pandemie einzudämmen. Bei Ladenflächen bis 800 Quadratmeter soll je zehn Quadratmeter ein Kunde zulässig sein, ab 800 Quadratmetern dann ein Kunde je 20 Quadratmeter. Abweichungen können Länder zulassen, die eine Inzidenz von weniger als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen haben. Im Augenblick kommen dafür nach Angaben der Bundesregierung zwei Bundesländer infrage, nämlich Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.

Der HDE kritisierte, die Hygienekonzepte im Einzelhandel hätten sich „sowohl in kleinen wie auch in den größeren Räumlichkeiten von Geschäften, Supermärkten, Kaufhäusern und Einkaufszentren bewährt“. Die Neuregelung berge zudem Risiken durch Warteschlangen vor den Supermärkten, Modegeschäften oder Kaufhäusern. Zudem verstärkten die anstehenden Kunden dann das Gefühl bei den Verbrauchern, die Waren könnten knapp werden. Die Konsequenz könnten erneut verstärkte Hamsterkäufe im Lebensmittelhandel sein.

Zugleich drohen dem Einzelhandel in Innenstädten laut HDE weitere Einbußen in den kommenden Monaten. Schon in den ersten drei Lockdown-Wochen seien die Umsätze dort um durchschnittlich 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Der HDE rechnet nun damit, dass sich noch wesentlich mehr Umsätze in den Online-Handel verlagern. Am Ende könne hier das zusätzliche Plus bei zwei Milliarden Euro liegen.

Die Bund-Länder-Beschlüsse sehen für den Handel vor, dass künftig auch vor den Läden und auf Parkplätzen eine Maskenpflicht gilt. Zudem müssen Einkaufszentren und Geschäfte durch ein „abgestimmtes Einlassmanagement“ verhindern, dass es im Innenbereich von Einkaufspassagen oder Einkaufszentren „zu unnötigen Schlangenbildungen kommt“.

Die strengeren Auflagen für Geschäfte dürften laut dem FDP-Politiker Wolfgang Kubicki ein Fall für die Gerichte werden. „Ich rechne mit einer Reihe von Klagen gegen diese Maßnahme“, sagte Kubicki dem „Handelsblatt“. „Das Virus ist nicht gefährlicher, je größer der Laden wird. Deshalb sei die „unterschiedliche Bewertung an der Quadratmeterzahl völliger Unsinn“.

Nach den Beschlüssen von Bund und Ländern bleiben auch Hotels und Gaststätten bis mindestens zum 20. Dezember geschlossen. Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), zeigte zwar Verständnis für die Beschlüsse angesichts der hohen Corona-Zahlen und begrüßte die angekündigten Ausgleichszahlungen als „Überlebenshilfe“ für die betroffenen Unternehmen.

Gleichzeitig machte sie deutlich, dass eine mögliche kurzzeitige Öffnung von Hotels und Gaststätten über die Feiertage keinen positiven Effekt hätten. „Das lohnt sich für fünf Tage nicht“, sagte Hartges dem Deutschlandfunk. Der Aufwand, der dazu betrieben werden müsste, sei zu hoch, so dass viele Unternehmen trotz Erlaubnis nicht öffnen würden. „Das sind ja keine Garagen, die man einfach auf- und zusperrt.“

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) forderte „Corona-Sofort-Nothilfen“ in Höhe von 1000 Euro für Köche, Servicekräfte und Hotelfachleute. „Wegen ihrer häufig viel zu niedrigen Löhnen ist für die Beschäftigten im Gastgewerbe das Kurzarbeitergeld keine ausreichende Lösung“, erklärte NGG-Chef Guido Zeitler. „Sie haben nie Reserven aufbauen können und das für viele so wichtige Trinkgeld fällt weiter aus.“

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnte, die Beschlüsse würden Wirtschaftsaktivität und Verbraucherstimmung für den Rest des Jahres zusätzlich beeinträchtigen. „Dies wird die vorübergehende konjunkturelle Erholung auch im kommenden Jahr zunächst in Mitleidenschaft ziehen“, erklärte BDI-Präsident Dieter Kempf. „Die Luft wird im Winter für immer mehr Unternehmer dünner.“

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