Die EU kommt bei der Beschaffung von Impfstoffen gegen das Coronavirus voran. Die EU-Kommission billigte am Mittwoch den ausgehandelten Vertrag mit den Firmen Pfizer und Biontech und hat damit nun vier feste Liefervereinbarungen genehmigt. EU-Gesundheitskommissarin Kyriakides warnte aber vor zu großen Erwartungen an Impfstoffe. Als Lehre aus der Pandemie forderte Brüssel gleichzeitig mehr Kompetenzen im Gesundheitsbereich.
„Selbst wenn wir einen sicheren und wirksamen Impfstoff haben, ist das keine Wunderwaffe“, sagte Kyriakides. „Er wird Covid-19 nicht über Nacht verschwinden lassen.“
Kyriakides wollte sich nicht dazu äußern, wann in der EU ausreichend Impfstoffe zur Verfügung stehen könnten. „Ich werde keine genauen Zeitrahmen oder Szenarien diskutieren“, sagte sie. Sie verwies dabei auf noch ausstehende Zulassungen der EU-Arzneimittelbehörde Ema. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte Ende Oktober gesagt, dass sie im besten Fall ab April mit großen Mengen Impfstoff rechnet.
Das Mainzer Pharmaunternehmen Biontech und sein US-Partner Pfizer hatten am Montag erklärt, ihr Impfstoff sei zu über 90 Prozent wirksam. Sie wollen nun in der kommenden Woche in den USA eine beschleunigte Genehmigung für die Zulassung beantragen. Von der Leyen hatte darauf erklärt, das Mittel sei „der bisher vielversprechendste Impfstoff“.
Die EU-Kommission billigte nun die Pläne für einen Liefervertrag über 200 Millionen Dosen von Pfizer und Biontech. Für weitere 100 Millionen soll es eine Option geben. Der Vertrag soll noch diese Woche mit den Unternehmen unterzeichnet werden. Die Firmen erklärten am Mittwoch, die Lieferungen an die EU könne bei erfolgreichen weiteren Tests und der Genehmigung „voraussichtlich Ende 2020 beginnen“.
Die Kommission schließt im Auftrag der Mitgliedstaaten Verträge mit Impfstoffherstellern. Bisher gibt es drei feste Vereinbarungen mit den Anbietern Johnson&Johnson, Sanofi-GSK und AstraZeneca. Pfizer-Biontech wäre damit der vierte feste Liefervertrag. Vorgespräche hat Brüssel auch mit den Herstellern CureVac und Moderna abgeschlossen.
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) betonte, eine Impfung bleibe „natürlich freiwillig“. Sie verstehe, dass Menschen Bedenken hätten. Die Bundesregierung wolle aber Überzeugungsarbeit leisten. Denn „am Ende hilft uns das als ganze Gesellschaft“.
Vor dem Hintergrund der Pandemie-Erfahrungen forderte Brüssel gleichzeitig, mehr Kompetenzen im Gesundheitsbereich auf die EU zu übertragen. Kyriakides zufolge soll dabei auch die Möglichkeit geschaffen werden, eine EU-weite Notfallsituation auszurufen, um die Gefahr dann grenzüberschreitend zu bekämpfen.
Ausweiten will die EU auch die Befugnisse ihrer Krankheitsbekämpfungsbehörde ECDC. Die in Stockholm ansässige Behörde soll demnach etwa die Möglichkeit bekommen, den Mitgliedstaaten direkt Ratschläge zu erteilen. Für ein effektives Frühwarnsystem sollen die nationalen Behörden zudem verpflichtet werden, bessere und einheitlichere Daten zur Lage ihrer Gesundheitssysteme nach Stockholm zu übermitteln.
Die EU-Arzneimittelbehörde Ema soll ebenfalls eine deutlich größere Rolle spielen und etwa die Forschung an Impfstoffen und Behandlungsmethoden gegen gefährliche Krankheiten koordinieren. Auch soll sie die Verfügbarkeit von Medikamenten und medizinischer Ausrüstung in den Mitgliedstaaten überwachen und eventuelle Knappheiten verhindern.
Längerfristig schwebt der EU-Kommission die Schaffung einer „gesundheitlichen Notfallbehörde“ (Hera) vor. Sie könnte ab 2023 viele der Aufgaben im Kampf gegen gesundheitliche Bedrohungen übernehmen. Einen konkreten Vorschlag dafür will Brüssel aber erst Ende des nächsten Jahres vorlegen.