FDP-Chef Lindner kritisiert „Verödungsprogramm für die Innenstädte“

Christian Lindner - Bild: FDP
Christian Lindner - Bild: FDP

Der Einzelhandel befürchtet weitere Einschränkungen in der Corona-Krise – und warnt vor negativen Folgen auch beim Kampf gegen die Pandemie. „Wenn nur noch wenige Menschen gleichzeitig den Supermarkt oder das Modehaus in der Innenstadt betreten dürfen, dann führt das zwangsläufig zu langen Schlangen vor den Geschäften und in den Fußgängerzonen“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands HDE, Stefan Genth, am Mittwoch. FDP-Chef Christian Lindner forderte statt neuer Beschränkungen für Geschäfte einen stärkeren Fokus auf den Schutz von Risikogruppen.

Der HDE warnte vor den Bund-Länder-Beratungen über das weitere Vorgehen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens vor allem vor strengeren Beschränkungen für die maximale Kundenzahl in Geschäften. Das könne den Kunden den Eindruck von erhöhter Nachfrage und Warenknappheit vermitteln und am Ende zu erneuten Hamsterkäufen im Lebensmittelhandel führen, warnte Genth. „Diese Entwicklung sollte unbedingt vermieden werden, damit der Handel auch weiterhin flächendeckend die Versorgung der Bevölkerung mit Waren des täglichen Bedarfs sicherstellen kann.“ 

Zudem sei es auch nicht im Sinne der Eindämmung der Pandemie, wenn viele Kunden vor den Geschäften wartend bei kalter Witterung eng beieinander stünden. Der HDE forderte deshalb, bei der derzeitigen Regelung zu bleiben. „Die Hygienekonzepte der Handelsunternehmen haben sich bewährt, es gibt keine Hotspots beim Einkaufen. Deshalb gibt es auch keinen Grund, die Regeln zu verschärfen“, erklärte Genth. 

Ähnlich äußerte sich auch Rewe-Vorstandschef Lionel Souque: Die vorgeschlagene 25 Quadratmeter-Regelung werde „weder dem Schutz vor Infektionen noch der Gesundheit der Menschen dienen“, erklärte er. „Die aktuelle Regelung – ein Kunde pro 10 Quadratmeter Verkaufsfläche – funktioniert für unsere Kunden und Mitarbeiter gut und sehr sicher“, fügte er hinzu. „Wenn nur noch 40 statt 100 Menschen gleichzeitig in einem Supermarkt mit 1000 Quadratmetern Verkaufsfläche einkaufen dürften, befürchte ich vor Weihnachten endlose Warteschlangen und chaotische Situationen vor den Supermärkten.“ 

Bund und Länder waren sich noch am Dienstagabend in ihren Verhandlungen uneins über mögliche Verschärfungen für den Einzelhandel. Im Beschlusspapier waren die strengeren Auflagen zuletzt als strittig markiert. In den Läden müsse sichergestellt werden, dass sich nicht mehr als ein Kunde pro 25 Quadratmeter Verkaufsfläche aufhält, heißt es an der betreffenden Stelle. Dieser Punkt geht jedoch über die bisherigen Ländervorstellungen hinaus. Die derzeitige Regelung sieht vor, dass nicht mehr als ein Kunde pro zehn Quadratmeter im Geschäft sein darf.

Wichtig ist laut HDE auch, dass bei den Beratungen kein „föderaler Flickenteppich“ an Regeln entstehe. Dies könne die gesellschaftliche Akzeptanz für die Vorgaben gefährden. Insbesondere für die zahlreichen über Bundesländergrenzen hinweg tätigen Handelsunternehmen seien örtlich voneinander abweichende Normen eine Herausforderung. 

Dringenden Handlungsbedarf sieht der Handelsverband nach wie vor bei den Hilfsmaßnahmen für die innerstädtischen Handelsunternehmen. „Die Bundesregierung muss jetzt den innerstädtischen Handel unterstützen und die Kriterien für die Überbrückungshilfen anpassen“, erklärte Genth. Die Politik müsse jetzt handeln, um die Verödung der Innenstädte zu verhindern.

Vor einem „Verödungsprogramm für die Innenstädte“ warnte auch FDP-Chef Lindner. Zudem sei eine Begrenzung auf einen Kunden pro 25 Quadratmeter ein „Programm, die Marktanteile von Amazon in noch höhere Höhen zu schrauben“, sagte er im Bayerischen Rundfunk. Der Online-Handel hat in der Corona-Krise teils enorme Umsatz-Zuwächse verzeichnet 

Es sei richtig, dass die Corona-Beschränkungen verlängert und verschärft werden, viele Maßnahmen hätten aber keine „wissenschaftlich verhärtete Begründung im Infektionsgeschehen“, sagte Lindner dem BR. Der Einzelhandel sei die nächste Branche, die jetzt schwer von Maßnahmen getroffen werde, die sich nicht alleine aus dem Inzidenzgeschehen ergeben würden.

Lindner forderte statt neuer Personenbeschränkungen für Geschäfte, die Risikogruppen besser zu schützen. Er schlug dazu erneut „exklusive Zeitfenster für vulnerable Gruppen“ oder Taxigutscheine vor, damit Menschen mit Vorerkrankungen öffentliche Verkehrsmittel vermeiden könnten.

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