Eigentlich ist Franziska Giffey ein echter Aktivposten für die SPD. Sie beherrscht den politischen Auftritt und setzt gekonnt Themen wie Kinderbetreuung, Familienpolitik und Gleichberechtigung. Jetzt setzt sie alles daran, Berliner SPD-Landeschefin und die erste Regierende Bürgermeisterin der Hauptstadt zu werden. Doch erneut macht ihr die Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit zu schaffen. So geht die Hoffnungsträgerin der SPD mit einem echten Makel ins Rennen um das Rote Rathaus – wenn sie denn nominiert wird.
Erneut ins Rollen kam die Affäre um ihre Doktorarbeit durch die jüngste Ankündigung der Freien Universität Berlin, die wissenschaftliche Expertise erneut unter die Lupe zu nehmen. Im Herbst 2019 hatte sich die Hochschule gegen eine Aberkennung des Doktortitels entschieden und es bei einer Rüge belassen. Eine solche komme aber allenfalls in einem minderschweren Fall infrage, der nicht dargelegt sei, hieß es zur Begründung des Meinungsumschwungs bei der Universität.
Als Reaktion auf die erneute Prüfung erklärte Giffey, ihren Doktortitel nicht mehr führen zu wollen. Sie sei nicht bereit, das neue Prüfverfahren zum Gegenstand politischer Auseinandersetzung zu machen. Im August vergangenen Jahres hatte sie noch angekündigt, dass sie ihr Ministeramt im Fall einer Aberkennung des Doktortitels niederlegen werde. Bis Ende Februar 2021 will die Freie Universität Berlin in dem Fall entscheiden.
Die neue Unsicherheit kommt für Giffey zur Unzeit. Denn sie will sich beim hybriden Landesparteitag der Berliner SPD am kommenden Freitag und Samstag zur neuen Landesvorsitzenden wählen lassen. In dem Amt würde sie den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) nachfolgen. Der will in den Bundestag wechseln – damit wäre der Weg frei für eine Spitzenkandidatur Giffeys bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im Herbst 2021.
Mit dem Chefsessel in Berlins Rotem Rathaus könnte die umtriebige Ministerin mit der hohen Stimme ihr politisches Überleben sichern. Denn derzeit sieht es nicht danach aus, als würde die SPD im Bund nach der Bundestagswahl an der Regierung bleiben. Doch mit dem wichtigen Posten der Hauptstadtbürgermeisterin bliebe die 42-Jährige in der ersten Reihe – und behielte damit die Option, auch im Bund später wieder mitzumischen.
Schließlich wird die Politologin immer wieder genannt, wenn es darum geht, der schwächelnden SPD auf die Beine zu helfen. So war sie im vergangenen Jahr für den SPD-Bundesvorsitz im Gespräch, winkte aber wegen der Prüfung ihrer Doktorarbeit ab.
Giffey, die sich mit ihrem Kostümlook samt Steckfrisur stets eine konservative Note verleiht, war eine bundespolitische Seiteneinsteigerin, als sie im März 2018 ins Bundesfamilienministerium kam. Bis dahin arbeitete sie als Bürgermeisterin im Berliner Problembezirk Neukölln – und machte durch ihre zupackende Art von sich reden. Auf der bundespolitischen Bühne fand sie sich schnell zurecht, so stieg sie zur Hoffnungsträgerin bei den Sozialdemokraten auf.
Doch neben dem Ungemach um ihre Doktorarbeit bekam sie noch mit einer zweiten Affäre zu kämpfen. Ihr Mann verlor im vergangenen Jahr seinen Beamtenjob beim Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales, weil er seine Arbeitszeiten falsch erfasst und Dienstreisen abgerechnet hatte, die es gar nicht gab. In 54 Fällen hatte er laut einem Gerichtsurteil „Falscheintragungen in den Arbeitszeitbögen“ vorgenommen.
Zu den Vorwürfen gegen ihren Mann schwieg Franziska Giffey, die Mutter eines 2009 geborenen Sohns ist, bislang beharrlich. Und die Affäre um ihre Doktorarbeit versucht sie dadurch zu entschärfen, dass sie den Titel künftig nicht mehr trägt.
Auch wenn es Giffey gelingt, Ruhe in ihre privaten Turbulenzen zu bekommen, könnten sie den Wahlkampf belasten. Doch die Berliner SPD kann sich eigentlich keine angreifbare Spitzenkandidatin leisten. Schließlich muss diese die Landes-SPD aus dem Meinungstief holen. Derzeit liegen die Berliner Sozialdemokraten mit deutlich unter 20 Prozent abgeschlagen hinter CDU und Grünen. Da ist eine Kandidatur Giffeys alles andere als ein Selbstläufer.