Im Prozess um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat ein Gutachter den Hauptangeklagten Stephan E. als schuldfähig eingestuft. Außerdem sehe er die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung als erfüllt an, sagte der Sachverständige Norbert Leygraf am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Frankfurt am Main. E. habe einen Hang zur Begehung schwerer Straftaten.
Folge man den Vorwürfen aus der Anklage, werde E. „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bei entsprechenden Möglichkeiten erneut Straftaten begehen“, sagte Leygraf. Es lägen keine Hinweise für eine psychische Erkrankung wie eine manische Psychose oder hirnorganische Schäden vor. Eine krankhafte Störung sei daher nicht anzunehmen. E. habe Lübcke auch nicht im Zustand einer Bewusstseinsstörung erschossen.
Leygraf beschrieb E. als „zurückhaltenden Einzelgänger“, dessen Leben zwei verschiedene Seiten habe. Zum einen habe er sich nach seiner ersten Haftstrafe in den 90er Jahren ein bürgerliches Leben aufgebaut, sei Familienvater geworden und ein „geschätzter Arbeitskollege“. Gleichzeitig sei er ein aktives Mitglied der rechtsradikalen Szene gewesen, führte der Sachverständige aus.
Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni 2019 tot auf der Terrasse seines Wohnhauses im nordhessischen Wolfhagen-Istha gefunden worden. E. soll ihn aus rechtsextremen Motiven getötet haben. Darüber hinaus ist er wegen eines versuchten Mordes an einem irakischen Flüchtling angeklagt. Der Prozess gegen ihn begann im Juni. Die ursprünglich für den 1. Dezember angesetzte Urteilsverkündung wird sich nach OLG-Angaben verschieben.