In syrischen Flüchtlingslagern wächst die Angst vor Corona

Symbolbild: Corona
Symbolbild: Corona

Abstand halten, Maske tragen, Hände waschen – diese Maßnahmen zum Schutz vor einer Corona-Infektion sind in den überfüllten Flüchtlingslagern im Nordwesten Syriens praktisch unmöglich. „Wir leben in einem Lager, in dem alle zusammengepfercht sind“, klagt Hassan Sweidan, der nach Jahren auf der Flucht nun in einer provisorischen Siedlung am Rande des Ortes Kah in der nordwestlichen Provinz Idlib lebt. Dort steigen die Corona-Zahlen rasant an.

Hilfsorganisationen warnen vor einer Katastrophe in den Flüchtlingslagern, seit hier an der türkischen Grenze die ersten Corona-Fälle aufgetreten sind. Nach Angaben der Vereinten Nationen hat sich die Zahl der Corona-Fälle – auch aufgrund einer Erhöhung der Testkapazitäten – in nur einem Monat versechsfacht. Bisher meldeten die Gesundheitsbehörden im Nordwesten Syriens offiziell mehr als 5000 Corona-Fälle, davon viele bei medizinischem Personal und in den Lagern. 

Im Nordwesten des Landes leben nach neun Jahren Krieg fast 1,5 Millionen Menschen in überfüllten Lagern mit unregelmäßiger Wasserversorgung und mangelnder medizinischer Infrastruktur. Schon Duschen oder Händewaschen ist Luxus – ganz zu schweigen von Masken oder Desinfektionsmitteln, die sich viele nicht leisten können, weil Lebensmittel, Wasser, Medikamente und Schulmaterial wichtiger sind. 

Gegen das Virus habe er keine große Chance, glaubt der sechsfache Vater Sweidan, der an Leberzirrhose leidet. „Einer meiner Verwandten hat es vor einer Weile bekommen, und ich habe wirklich Angst, weil ich kein Immunsystem habe. Die Krankenhäuser sind überfüllt“, betont der 41-Jährige, der gerade einem Freund beim Bau eines kleinen Ladens geholfen hat. „Die Menschen haben Angst vor Ärzten und Krankenschwestern, weil sie glauben, dass sie infiziert sein könnten.“

Ghatwa al-Mohammed sitzt im Schneidersitz auf dem Boden und bricht mit einem Ziegelstein kleine grüne Oliven auf. „Wir haben Angst vor der Krankheit, aber wir trauen uns nicht weg“, sagt die 80-Jährige. „Wir wissen nicht, was wir tun sollen. Wenn Gott uns nur sterben lassen und unser Elend beenden würde.“

Große Teile der Region Idlib werden von Dschihadisten und anderen islamistischen Milizen beherrscht, die gegen den syrischen Machthaber Baschar al-Assad kämpfen. Bei der von Russland unterstützten Offensive von Assad im vergangenen Winter starben rund 500 Zivilisten in der Region, fast eine Million Menschen wurden vertrieben. Seit ein von Moskau und Ankara vermittelter Waffenstillstand im März in Kraft trat, kehrten nur etwa 200.000 Menschen in ihre Heimat zurück.

Im Gesundheitsamt von Idlib betont der Arzt Jahja Nehmeh, die Bevölkerung werde zwar ermahnt, die Abstandsregeln einzuhalten. Doch in den Hunderten provisorischen Lagern der Region sei dies „nahezu unmöglich“. Zudem tragen nur wenige Masken.

Auch der 40-jährige Mohammad al-Omar findet solche Aufrufe unrealistisch: „Sie sagen: Geht nicht raus. Vermeidet Überfüllung. Aber wir leben in Zelten, die kaum einen halben Meter voneinander entfernt sind“, erzählt der vierfache Vater, der vor acht Jahren vor den Kämpfen floh. Als Fahrer eines Wasser-Lkws könne er nicht im Lager bleiben, da er Geld verdienen müsse: „Wenn ich in meinem Zelt bleibe, wovon soll ich dann leben? Was kann ich dann essen?“

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