Kinderärzte haben in einer breit angelegten Datenauswertung keine Hinweise auf eine hohe Corona-Dunkelziffer unter Kindern gefunden. Das Risiko, dass sich Kinder in Kitas und Schulen unbemerkt mit dem Coronavirus infizieren und das Virus weitertragen, sei somit möglicherweise deutlich geringer als angenommen, berichtete die „Passauer Neuen Presse“ unter Berufung auf die Analyse, die am Montag vorgestellt werden soll.
Die Mediziner werteten demnach die Daten von mehr als 110.000 jungen Patienten aus, die seit Juli in knapp hundert deutschen Kinder- und Jugendkliniken routinemäßig auf Corona getestet worden seien. Da der überwiegende Teil der Betroffenen wegen anderer Erkrankungen oder Verletzungen die Klinik aufsuchte, kommt das nach Ansicht der Ärzte einer „Zufallsstichprobe am nächsten“. Bis zum Stichtag 18. November seien „im Mittel nur 0,53 Prozent der Kinder und Jugendlichen positiv“ auf das Coronavirus getestet worden.
Ziel der Analyse war es, Informationen über die Dunkelziffer unerkannter Corona-Fälle unter Kindern zu erhalten. Da sie häufig keine Symptome zeigen, werde bisher in der Debatte häufig davon ausgegangen, dass die Infektionsrate unter Kindern und Jugendlichen deutlich höher sei, als es die offizielle Statistik widerspiegele. „Genau diese Annahme muss man aber jetzt in Frage stellen“, sagte der Chefarzt der Passauer Kinderklinik, Matthias Keller.
Keller hatte die Daten zusammen mit anderen Klinikleitern und mit Unterstützung des Verbands Leitender Kinder- und Jugendärzte und Kinderchirurgen zusammengetragen. „Wir schließen daraus auch, dass die Ansteckungsgefahr an Schulen eher überschätzt wird.“ Darauf deuteten zugleich Studienergebnisse aus anderen Ländern hin, die nahelegten, dass Lehrer keinem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt seien.
In ihrer gemeinsamen Stellungnahme betonen die Kinderärzte zugleich: „Es steht außer Frage, dass Kinder und Jugendliche sich infizieren und auch das Virus weitergeben können.“ Es gebe jedoch „deutlich Hinweise, dass die Infektionsquellen in der Mehrzahl außerhalb des schulischen Bereiches liegen, so dass neben den notwendigen Hygienemaßnahmen in den Schulen es weitere außerschulische Ansätze zur Eindämmung der Pandemie geben muss“.
Am Mittwoch wollen sich die Länderregierungschefs und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erneut mit den Corona-Regeln befassen. Zuletzt hatte es dabei wieder vermehrt Forderungen gegeben, die Lage an den Schulen verstärkt in den Blick zu nehmen.
In ihre Beschlussvorlage für die Beratungen am Mittwoch plädieren die Länderchefs dafür, dass ab der siebten Klasse das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung verpflichtend werden soll in solchen Regionen, in denen die Zahl der Neuinfektionen den Wert von 50 je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen „deutlich“ übersteigt. Infektionsfreie Schulen sollen aber davon ausgenommen werden können. Über Homeschooling sollen die Länder nach dem Willen der Ministerpräsidenten selbst entscheiden.