Merkel freut sich auf ihren vierten US-Präsidenten

Angela Merkel - Bundesregierung/Bergmann
Angela Merkel - Bundesregierung/Bergmann

Für den öffentlichen Umgang mit US-Präsident Donald Trump hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein ganz eigenes Konzept zurechtgelegt: die Diplomatie des Mienenspiels. Merkels Gesicht drückte aus, was sie aus diplomatischer Räson nicht aussprechen durfte. Augendrehen, angedeutetes Kopfschütteln, hochgezogene Brauen begleiteten Merkels Zusammenkünfte mit dem US-Präsidenten. Die Kanzlerin kaschierte ihre Geringschätzung für Trump kaum. Umso erleichterter fiel nun ihre Reaktion auf Trumps Abwahl aus.

Mit der Wahl von Joe Biden dürften nun Jahre der Entfremdung zwischen Berlin und Washington enden. Denn Biden ist all das, was Trump nie war: ein Transatlantiker alter Schule, ein versierter Außenpolitiker, ein verlässlicher Verhandlungspartner. Über Jahrzehnte hinweg pflegte Biden als Außenexperte im US-Senat und als Vizepräsident enge Kontakte zur deutschen Politik, bei der Münchner Sicherheitskonferenz war er Stammgast. 

Sie freue sich auf die „künftige Zusammenarbeit mit Präsident Biden“, schrieb Merkel am Wochenende. „Unsere transatlantische Freundschaft ist unersetzlich.“

Die nüchterne Pfarrerstochter Merkel und der prahlerische Immobilienkaufmann Trump – das war nie gutgegangen. Trumps Präsidentschaft brachte die deutsche Außenpolitik in Not. Es fehlte ihr schlichtweg über vier Jahre hinweg der Verhandlungspartner auf US-Seite. Trump zeigte sich unkonzentriert, sprunghaft, wenig verwurzelt in den Themen. Lustvoll brüskierte er regelmäßig die Bundesregierung. Die direkten Kontakte zwischen Kanzlerin und Präsident wurden weniger.

Wie es um die Gesprächskultur zuletzt bestellt war, illustrierte im Sommer eine Geschichte des US-Investigativjournalisten Carl Bernstein für den Sender CNN. Trump habe die Kanzlerin in einem Telefonat als „dumm“ beschimpft und ihr vorgeworfen, „in der Hand der Russen zu sein“. Merkel soll daraufhin sachlich und ruhig geblieben sein. Die Bundesregierung hat Bernsteins Darstellung nie dementiert.

Die Qualität der deutsch-amerikanischen Beziehungen hängt eben immer auch vom Verhältnis der führenden Akteure ab. Trump war bereits der dritte US-Präsident, mit dem Merkel zu tun hatte – und der einzige, zu dem sie keinen Zugang fand. Wenn es nun um einen Neustart der Beziehungen unter einem Präsidenten Biden geht, kann die Langzeit-Kanzlerin auf einen gewissen Erfahrungsschatz zurückblicken.

Bereits nach ihrer Wahl zur Kanzlerin 2005 hatte sich Merkel sofort an die Reparatur des Verhältnisses zur US-Regierung unter George W. Bush gemacht, das am Streit um den Irak-Krieg unter ihrem Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) Schaden genommen hatte.

Bush, der in seinen Reden gerne den Wert der Freiheit beschwor, war besonders angetan von der Ost-Biografie der Kanzlerin. Er lud sie ein auf seine Prärie-Ranch in Texas. „Ich war fasziniert davon, wie Angela ihr Aufwachsen im kommunistischen Ostdeutschland beschrieb“, erinnerte sich Bush später in seiner Autobiografie. „Angela war vertrauenswürdig, engagiert, warmherzig. Sie wurde eine meiner engsten Freundinnen auf der Weltbühne.“

Eine Art politische Freundschaft baute Merkel schnell auch zu Bushs Nachfolger Barack Obama auf. Den Hype um Obama im Wahlkampf 2008, die „Obamania“, betrachtete Merkel zwar zunächst mit spöttischer Distanz. Sie fand aber schnell Zugang zu dem intellektuellen neuen Präsidenten, den sie für seinen „fixen Verstand“ schätzte. Obama erwiderte die Wertschätzung. 

Obamas Spitzenberater Ben Rhodes schildert in seinen Memoiren ein emotionales Abschiedstreffen der beiden 2016 in Berlin – da hatte Trump bereits die Wahl gewonnen. Merkel stehe nun „ganz alleine“ auf der Weltbühne, habe Obama besorgt gesagt. Im Auge der Kanzlerin will Rhodes damals beim Abschied sogar „eine einzelne Träne“ entdeckt haben.

Die Wahl des unberechenbaren Trump soll einer der Gründe gewesen sein, weswegen Merkel bei der Bundestagswahl 2017 noch einmal antrat. Trumps Abwahl dürfte sie nun in ihrem Vorhaben bestätigen, sich 2021 ganz aus der aktiven Politik zurückzuziehen.

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