Neuverschuldung dürfte 2021 auf mehr als 166 Milliarden Euro ansteigen

Schuldenuhr im Januar 2020 - Bild: Bund der Steuerzahler Deutschland e.V.
Schuldenuhr im Januar 2020 - Bild: Bund der Steuerzahler Deutschland e.V.

Die Neuverschuldung des Bundes dürfte im kommenden Jahr auf mehr als 166 Milliarden Euro ansteigen. Das geht aus der Vorlage des Finanzministeriums für die Bereinigungssitzung des Bundestags-Haushaltsausschusses hervor, die der Nachrichtenagentur AFP am Montag vorlag. Der Bundesrechnungshof warnte vor einer ausufernden Neuverschuldung „unter dem Deckmantel der Corona-Krise“.

Der Bund müsste der Vorlage zufolge 69,9 Milliarden Euro mehr Kredite neu aufnehmen als die bislang im Regierungsentwurf für den Etat 2021 vorgesehenen 96,2 Milliarden Euro. Die Entscheidung trifft der Haushaltsausschuss in seiner Sitzung am Donnerstag beziehungsweise letztlich der Bundestag. Allerdings könnte die Neuverschuldung sogar noch weiter steigen, denn Zusatzkosten durch die sich abzeichnende Verlängerung des geltenden Teil-Lockdowns über November hinaus sind in der aktuellen Vorlage noch nicht enthalten.

Über die Verlängerung des Lockdowns berät Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch mit den Ministerpräsidenten der Länder. Zu finanziellen Auswirkungen sagte ein Sprecher des Finanzressorts am Montag in Berlin lediglich: „Was am Mittwoch besprochen wird, muss danach berücksichtigt werden“. 

Das Finanzministerium wies allerdings erneut auch darauf hin, dass dafür die Kreditaufnahme im laufenden Jahr deutlich niedriger ausfallen dürfte als die veranschlagten rund 218 Milliarden Euro. Die Summe für beide Jahre dürfte weiterhin ungefähr bei 300 Milliarden Euro liegen, sagte der Ministeriumssprecher, es verschiebe sich jedoch ein Teil der Neuverschuldung auf 2021.

Rechnungshofpräsident Kay Scheller sagte der „Rheinischen Post“ zu der Kreditaufnahme: „Nicht alle neuen Schulden sind durch die Pandemie verursacht und lassen sich mit der außergewöhnlichen Notsituation begründen.“ Vielmehr würden „Mittel für zukünftige Ausgaben und Wünsche in Sondervermögen geparkt“. Scheller wandte sich auch gegen eine Reform oder Neuinterpretation der Schuldenbremse. Deren Aussetzung könne nur mit der Notsituation der Corona-Krise begründet werden.

„Das bedeutet, dass notwendige Zukunftsinvestitionen etwa in die Digitalisierung, in Künstliche Intelligenz oder Wasserstofftechnologie nicht durch neue, zusätzliche Schulden finanziert werden dürfen“, hob der Rechnungshof-Präsident hervor. Sinnvoller seien Subventionskürzungen, etwa ein Verzicht auf „das klimaschädliche Dieselprivileg“. 

Auch die Autoindustrie brauche zwar für die dort anstehenden Umbrüche Geld, es stelle sich aber angesichts hoher Unternehmensgewinne „die Frage, warum die Industrie diesen Umbau nicht selbst finanziert“, sagte Scheller. Gegen eine Finanzierung von „Wohlfühlprogrammen“ wandte sich der Bund der Steuerzahler.

Das Finanzministerium verteidigte dagegen die hohe Kreditaufnahme in der Krise. „Wenn wir nicht dagegenhalten, wäre alles andere deutlich teurer“, sagte der Sprecher.

Der Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler nannte die höhere Kreditaufnahme angesichts der Corona-Lage „verständlich und richtig“. Kindler kritisierte jedoch eine „soziale Schieflage der Pandemiehilfen“ und fehlende Investitionen in Klimaschutz, Digitalisierung und Bildung. Stattdessen bleibe es bei bloßer Schadensbegrenzung. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir drängte in der „Rhein-Neckar-Zeitung“ zur Finanzierung zudem auf eine höhere Besteuerung großer Vermögen.

Gegen eine Rückkehr zur Schuldenbremse wandte sich unter den gegebenen Umständen Linken-Fraktionsvize Fabio de Masi. Auch er drängte darauf, zur Finanzierung der Mehrausgaben „Milliardäre heranzuziehen“.

Kritik an der „unverhältnismäßigen“ Neuverschuldung äußerte der AfD-Haushaltsexperte Peter Boehringer, zumal eine „signifikante Einsparbemühung“ fehle. 

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