Nordirland nach dem Brexit

Land von Nordirland
Land von Nordirland

Seit dem Referendum im Jahr 2016 haben sich die Brexit-Verhandlungen immer wieder beim Thema Nordirland verhakt. Folgende Veränderungen in Nordirland sind ab dem 1. Januar 2021 denkbar: 

Verlagerung der Zollkontrollen:

Um ein Wiederaufflammen des Nordirlandkonflikts zu verhindern, muss eine harte Grenze zum EU-Mitglied Irland vermieden werden. Trotzdem müssen in Nordirland Zollkontrollen bei Waren aus den anderen Landesteilen Großbritanniens – also England, Schottland und Wales – vorgenommen werden. 

Der derzeitige Plan sieht eine Verlagerung der Kontrollstellen an die Häfen der Irischen See vor. Anhänger der nordirischen Unionspartei, die sich für einen Verbleib Nordirlands in Großbritannien stark machen, befürchten jedoch die Entstehung einer neuen „Seegrenze“ zur britischen Insel. In ihren Augen bindet diese Entscheidung Nordirland wirtschaftlich an das EU-Mitglied Irland. Menschen, die sich für eine Vereinigung Nordirlands mit Irland aussprechen, könnten ihrem Ziel dadurch näher kommen, befürchten sie.

Demographischer Wandel:

Das Karfreitagsabkommen von 1998 hat den 30-jährigen gewaltsamen Widerstand gegen die Herrschaft der Briten in Nordirland beendet. Es sieht vor, dass Menschen, die in Nordirland geboren werden, sich für die britische oder die irische Staatsangehörigkeit entscheiden können. Es ist auch möglich, beide Staatsbürgerschaften zu erwerben. 

Mehr als 800.000 der insgesamt 1,8 Millionen Einwohner Nordirlands besitzen derzeit irische Pässe, wie FactCheckNI ermittelte. Seit dem Brexit-Referendum ist die Nachfrage demnach stark gestiegen, da viele Menschen EU-Bürger bleiben wollen. 

Im kommenden Jahr, wenn die Auswirkungen des Brexit spürbar werden, könnten die Anträge weiter zunehmen. Wenn ein Großteil der Einwohner Nordirlands einen irischen Pass besitzt, könnte das die Forderungen nach einem vereinten Irland weiter anheizen. Es würde außerdem zu der bizarren Situation einer Nicht-EU-Region führen, deren Einwohner mehrheitlich EU-Bürger sind.

Belastungen für die Wirtschaft:

Nordirland wird weiterhin die EU-Binnenmarktstandards für Waren beachten – insbesondere für Industrieerzeugnisse und landwirtschaftliche Produkte. Zugleich werden Einfuhrdeklarationen für Waren notwendig, die von der britischen Insel kommen. Es gibt Anzeichen dafür, dass diese Bestimmungen die nordirische Wirtschaft belasten könnten, da zusätzliche Verwaltungskosten erforderlich werden. London hatte seine Unterstützung versprochen, doch Lobbygruppen kritisieren, dass die Kosten und der Aufwand der zusätzlichen Kontrollen trotzdem an den nordirischen Unternehmern hängen bleiben könnten. 

Steigende Lebenshaltungskosten:

Alle zusätzlichen Kosten bei der Einfuhr könnten die Unternehmer an die Verbraucher weitergeben. Fast ein Drittel der in Nordirland verkauften Waren stammen von der britischen Insel. Ohne ein staatliches Eingreifen könnten manche „Geschäftsmodelle unrentabel werden“, warnte der Vorsitzende des nordirischen Einzelhandelskonsortiums, Aodhán Connolly. Dadurch würden wiederum die Preise steigen und die Auswahl an Produkten sinken, sagte er und betonte, dass die Konsumenten in Nordirland etwa über die Hälfte des Einkommens von britischen Haushalten verfügen. 

Ungewissheit über die Zukunft:

In Nordirland herrscht eine große Unsicherheit über die Zukunft des Landes außerhalb der Europäischen Union. Wenn Großbritannien und der EU der Abschluss eines Handelsabkommens gelingen sollte, könnten die Sonderregelungen für Waren überflüssig werden. Andererseits versucht die Regierung in London derzeit, Teile des Brexit-Abkommens durch einseitige Gesetze zu untergraben, insbesondere in Hinblick auf den Handel Nordirlands mit der EU. Sollte der Brexit-Vertrag scheitern, könnte sich auch die begrenzte Sicherheit, die Nordirland derzeit genießt, in Luft auflösen.

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