Oppositionschef in Armenien wegen angeblicher Putschpläne festgenommen

Bild: glomex

Nach dem in Armenien hochumstrittenen Waffenstillstand mit Aserbaidschan ist der armenische Oppositionschef Artur Vanetsjan wegen angeblicher Mord- und Putschpläne gegen Regierungschef Nikol Paschinjan festgenommen worden. Nach Angaben seiner Anwälte wurde der Chef der konservativen Heimatland-Partei am Samstag ins Hauptquartier der Sicherheitskräfte einbestellt und inhaftiert. Aserbaidschan gewährte Armenien im Konflikt um die Kaukasusregion Berg-Karabach derweil eine Fristverlängerung zum Abzug aus der angrenzenden Region Kalbadschar.

Die Anwälte bezeichneten die Festnahme des Oppositionsführers und früheren Geheimdienstchefs Vanetsjan als „Verfolgung“ politischer Gegner und wiesen den Vorwurf zurück, dieser habe die Tötung des Regierungschefs und die Machtübernahme geplant. 

Neben der Verhaftung von Vanetsjan gaben die armenischen Sicherheitskräfte die Festnahme eines weiteren Verdächtigen „mit regierungsfeindlichen Ansichten“ bekannt. Bei diesem sei ein großes Waffenarsenal gefunden worden. Der Mann habe in Absprache „mit regierungsfeindlichen Politikern und deren Anhängern einen Mordversuch an einer öffentlichen Persönlichkeit mit dem Ziel der Machtübernahme“ geplant.

Die verfeindeten Nachbarstaaten Armenien und Aserbaidschan hatten sich am Dienstag nach sechswöchigen schweren Kämpfen unter russischer Vermittlung auf einen Waffenstillstand in der umstrittenen Kaukasusregion Berg-Karabach geeinigt. Das Abkommen sieht vor, dass beide Kriegsparteien jene Gebiete behalten dürfen, in denen sie derzeit die Kontrolle haben – für Armenien bedeutet das große Gebietsverluste. In Armenien löste das Abkommen große Empörung aus, seit Tagen gibt es immer wieder Demonstrationen gegen Regierungschef Paschinjan, der als „Verräter“ beschimpft wurde. 

Aserbaidschan räumte Armenien derweil eine Fristverlängerung zum Abzug aus der an Berg-Karabach angrenzenden Region Kalbadschar ein. Statt wie ursprünglich vorgesehen am Sonntag müsse Armenien das Gebiet erst am 25. November übergeben, erklärte das Präsidialamt in Baku.

Armenische Bewohner der Region hatten zuvor ihre Häuser in Brand gesetzt um zu verhindern, dass sie dem „Feind“ in die Hände fallen. In den Dörfern und der Regionalhauptstadt Kalbadschar packten Bewohner ihre Koffer für die Flucht.

Gläubige besuchten ein letztes Mal den Klosterkomplex von Dadiwank in einem Gebirgstal in Kalbadschar, eine der wichtigsten Stätten der Armenisch-Apostolischen Kirche. „Es ist sehr hart, sehr schmerzhaft. Wir sind gekommen, um Abschied zu nehmen“, sagte ein 40-jähriger Besucher mit Tränen in den Augen der Nachrichtenagentur AFP.

„Ich kann nicht glauben, dass dies das letzte Mal ist, dass ich hier sein werde,“, sagte der 28-jährige Mjasnik Simonjan aus Wardenis in Nord-Armenien. „Dies ist das Land unserer Großväter. Diese Steine sind 800 Jahre alt“, sagte er, während er auf zwei kunstvoll verzierte armenische Kreuze deutete. Der Priester Vater Howhannes sprach bitter über die bevorstehende Übergabe des Klosters an das mehrheitlich muslimische Aserbaidschan – dieses habe „nicht die gleichen Werte wie wir“. „Das Kloster gehört uns. Ich kann nicht gehen“, sagte er.

Berg-Karabach hatte während des Zerfalls der Sowjetunion einseitig seine Unabhängigkeit erklärt. Darauf folgte in den 90er Jahren ein Krieg mit 30.000 Todesopfern. Die selbsternannte Republik wird bis heute international nicht anerkannt und gilt völkerrechtlich als Teil Aserbaidschans. Sie wird aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt. Die Kämpfe waren Ende September wieder voll entbrannt.

Bei den Kämpfen wurden mehr als 2300 armenische Soldaten getötet, wie das armenische Gesundheitsministerium am Samstag meldete. Aserbaidschan äußerte sich bisher nicht zur Zahl der auf seiner Seite getöteten Soldaten. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte vor wenigen Tagen von insgesamt mehr als 4000 Toten gesprochen.

Anzeige



Anzeige

Avatar-Foto
Über Redaktion des Nürnberger Blatt 44940 Artikel
Hier schreiben und kuratieren die Redakteure der Redaktion des Nürnberger Blatt