Putschversuch oder Politikshow: Trumps Vorgehen nach der Wahl gibt Rätsel auf

Donald Trump - Bild: Tia Dufour/Weißes Haus
Donald Trump - Bild: Tia Dufour/Weißes Haus

Was genau führt Donald Trump im Schilde? Die Weigerung des US-Präsidenten, seine Wahlniederlage anzuerkennen, und sein Vorgehen in den vergangenen Tagen haben zahlreiche Spekulationen ausgelöst. Ist es einfach nur die Trotzreaktion eines Narzissten, der nicht verlieren kann? Plant Trump einen Coup, um sich doch noch an der Macht zu halten? Oder handelt es sich um eine große Politikshow, mit der Trump ein mögliches Comeback vorbereitet – und sich nebenbei finanziell saniert?

Fast eine Woche ist es nun her, dass die großen US-Sender Trumps Herausforderer Joe Biden zum Wahlsieger erklärt haben. Doch in einem historisch beispiellosen Vorgang verweigert der Amtsinhaber, den Wahlausgang anzuerkennen, und wirft vielmehr Tag für Tag mit Betrugsvorwürfen um sich.

Eine wahre Justizschlacht hat der 74-Jährige losgetreten. Doch das Auftreten seines Anwaltsteams erscheint so dilettantisch, der Inhalt der Klagen so weit hergeholt, dass Beobachter nur den Kopf schütteln. Höhepunkt war vermutlich eine bizarre Pressekonferenz von Trumps Privatanwalt Rudy Giuliani vor einer Gärtnerei in Philadelphia, die den gleichen Namen trägt wie das Luxushotel „Four Seasons“.

Weniger zum Lachen zumute war Beobachtern allerdings, als der Präsident zu Wochenbeginn den als relativ unabhängig geltenden Verteidigungsminister Mark Esper feuerte. In der Folge setzte der Präsident auch drei Gefolgsleute auf Schlüsselpositionen im Pentagon.

Wollte Trump nur Rache an Esper nehmen, der sich ihm im Juni in der Frage eines möglichen Armeeeinsatzes bei den Black-Lives-Matter-Protesten offen entgegengestellt hatte? Will er den Truppenabzug aus Afghanistan noch in den letzten Wochen seiner Amtszeit in aller Eile abschließen, um das als politischen Erfolg verkaufen zu können? Oder will Trump im Machtkampf um das Weiße Haus auf Pentagon und Streitkräfte zurückgreifen?

Die Alarmglocken bei vielen Beobachtern schrillten auch, als Trumps Justizminister Bill Barr Bundesanwälten erlaubte, Vorwürfen des Wahlbetrugs nachzugehen. Aus Protest trat der Leiter der für die Ahndung von Verstößen gegen das Wahlrecht zuständigen Ministeriumsabteilung zurück. Kritiker warfen Barr vor, das Ministerium als „Waffe“ einzusetzen, um das Wählervotum rückgängig zu machen.

Nicht gerade zur Beruhigung der Gemüter geeignet war auch der Satz von Außenminister Mike Pompeo, es werde einen „reibungslosen Übergang hin zu einer zweiten Trump-Regierung geben“.

Zuletzt wird immer mehr darüber diskutiert, ob Trump versuchen könnte, noch Einfluss auf die Auswahl der Wahlleute zu nehmen, die den Präsidenten letztlich küren. Dann hätten die USA endgültig eine schwere Verfassungskrise.

Doch viele halten solche Warnungen für überzogen. Sie gehen vielmehr davon aus, dass der einstige Reality-TV-Star Trump einfach nur eine große Show abzieht, letztlich aber das Amt abgeben wird. Trump hat bei der Wahl mehr als 72 Millionen Stimmen erobert – die zweithöchste Zahl aller Präsidentschaftskandidaten der US-Geschichte nach Wahlsieger Biden – und er hat eine teilweise fanatische Anhängerschaft. 

Trump dürfte dieses politische Kapital in den kommenden Jahren nutzen, womöglich sogar mit Blick auf ein Comeback bei der Präsidentschaftswahl 2024. Dabei zu behaupten, er sei um seine Wiederwahl betrogen worden, könnte ein starker Mobilisierungsfaktor sein. Einer Umfrage zufolge glauben 70 Prozent der Anhänger der Republikaner, dass die Wahl vom 3. November nicht frei und fair war.

Mit diesem Argument macht Trump jetzt schon Kasse: Das Team des Präsidenten bombardiert Anhänger mit E-Mails mit Spendenaufrufen, um gegen den angeblichen Wahldiebstahl des „linken Mobs“ anzukämpfen. Im Kleingedruckten steht dann aber, dass ein Teil des Geldes für die Tilgung von Trumps Wahlkampfschulden verwendet wird – und ein weiterer Teil für eine neue politische Organisation namens „Rettet Amerika“, mit der Trump künftige politische Aktivitäten finanzieren kann.

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