Die Amtsenthebung mehrerer pro-demokratischer Abgeordneter des Hongkonger Parlaments hat international Empörung ausgelöst. Großbritanniens Außenminister Dominic Raab verurteilte am Donnerstag eine „Unterwanderung des hohen Grads an Autonomie Hongkongs“ durch Peking. Die EU sprach von einer „willkürlichen Entscheidung“ und forderte die Wiedereinsetzung der Abgeordneten. Peking richtete derweil eine Drohung an die verbliebenen pro-demokratischen Abgeordneten, die aus Protest gegen den Ausschluss ihrer Kollegen geschlossen zurücktreten wollten.
Die Hongkonger Behörden hatten am Mittwoch vier pro-demokratischen Abgeordneten mit sofortiger Wirkung ihr Mandat entzogen. Grundlage dafür war eine umstrittene Regelung, mit der die chinesische Regierung die Behörden in der Sonderverwaltungszone ermächtigt hatte, gegen Parlamentarier vorzugehen, die aus ihrer Sicht die „nationale Sicherheit“ bedrohen.
Raab bezeichnete die Regelung am Donnerstag als „klaren Bruch der rechtlich bindenden chinesisch-britischen Erklärung“ zu Hongkong, in der sich die chinesische Regierung zur Wahrung weitreichender Autonomierechte in der ehemaligen britischen Kronkolonie verpflichtet hatte. Bereits am Mittwoch hatte er Peking vorgeworfen, die Opposition in Hongkong „schikanieren, unterdrücken und ausschließen“ zu wollen.
Auch die EU kritisierte den Ausschluss der Abgeordneten scharf. Der Schritt sei „ein weiterer schwerer Schlag gegen den politischen Pluralismus und die Meinungsfreiheit“ in Hongkong, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Donnerstag. Die Entscheidung müsse sofort zurückgenommen werden.
„Zutiefst besorgt“ angesichts der Entwicklungen in Hongkong hatte sich am Mittwoch bereits die Bundesregierung gezeigt. Die Entscheidung, die vier Abgeordneten ihrer Mandate zu entheben, setze „einen Trend zur Aushöhlung des Pluralismus und der Meinungsfreiheit fort“, erklärte das Auswärtige Amt.
Als Reaktion auf den Ausschluss der Abgeordneten kündigten alle verbliebenen 15 pro-demokratischen Parlamentarier an, ihre Mandate ebenfalls niederzulegen. Die chinesische Zentralregierung warnte die Politiker am Donnerstag vor einer solchen Protestaktion. Diese sei Ausdruck der „sturen Konfrontation“ der Abgeordneten „gegenüber der Zentralregierung und eine unverhohlene Infragestellung der Macht der Zentralregierung“, erklärte das Pekinger Büro für die Beziehungen zu Hongkong und Macau.
„Wir müssen diesen Oppositionsabgeordneten sagen: Wenn sie dies nutzen wollen, um einen radikalen Kampf anzutreiben, ausländische Mächte zu einem Eingreifen zu bringen und Hongkong einmal mehr ins Chaos zu stürzen – dann ist das eine Fehlkalkulation“, fügte das Büro hinzu.
Die Parlamentswahlen in Hongkong gelten als eine der wenigen Möglichkeiten der 7,5 Millionen Bewohner der Finanzmetropole, ihre Meinung an der Wahlurne kundzutun – auch wenn nur rund die Hälfte der 70 Parlamentssitze direkt vom Volk gewählt wird. Hongkongs Regierungschef wird von pekingfreundlichen Ausschüssen bestimmt.
Dass die Hongkonger nicht selbst ihren Regierungschef und sämtliche Abgeordnete bestimmen können, ist einer der Hauptkritikpunkte der Hongkonger Oppositionsbewegung. Seit den Massenprotesten 2019 haben die Behörden ihr Vorgehen gegen die Demokratiebewegung massiv verschärft.
Seit Juni können sie dabei auch auf ein von Peking verhängtes sogenanntes Sicherheitsgesetz für Hongkong zurückgreifen, das den Behörden ein hartes Vorgehen gegen alle Aktivitäten erlaubt, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit Chinas bedrohen.
Das Gesetz stellt den bislang schwersten Eingriff in den Autonomiestatus von Hongkong dar. Der früheren britischen Kronkolonie waren bei ihrer Übergabe an China 1997 für 50 Jahre Sonderrechte gewährt worden, darunter Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
Der Dozent Ivan Choy von der Chinesischen Universität Hongkong rechnet damit, dass sich die Lage für die Opposition in Hongkong nach dem Vorgehen gegen die pro-demokratischen Abgeordneten noch verschlechtern wird. Wahrscheinlich sei, dass pekingfreundliche Kräfte die Abwesenheit der Opposition im Parlament ausnutzten, um „viele drakonische Gesetze“ zu verabschieden, sagte er.