Eine solarbetriebene Handprothese aus dem 3D-Drucker – das ist keine Sciene-Fiction, sondern die kostengünstige Alternative eines tunesischen Start-up für den afrikanischen Markt. Die bionische Hand soll nur ein Bruchteil so viel kosten wie importierte Modelle und für Kinder und Jugendliche je nach Wachstum angepasst werden. Gleichzeitig arbeitet das Unternehmen Cure Bionics im osttunesischen Sousse an einer Art Videospiel mit Virtual Reality-System (VR), das jungen Patienten das Training mit der künstlichen Hand erleichtern soll.
Der 28-jährige Gründer und Geschäftsführer Mohamed Dhaouafi entwickelte seinen ersten Prototyp der Handprothese noch während seines Ingenieurstudiums. „Einer im Team hatte eine Cousine, die ohne Hand geboren worden war, und deren Eltern sich keine Prothese leisten konnten, zumal sie noch im Wachstum war“, erzählt er. „Also beschlossen wir, eine Hand zu entwickeln.“ 2017 gründete Dhaouafi in seinem Elternhaus sein Start-Up.
Dabei kämpfte er nach eigenen Angaben um finanzielle Unterstützung, aber auch mit Zoll und Banken, etwa bei der Bestellung von Teilen im Internet. Mithilfe von Preisgeldern aus Wettbewerben und Startkapital eines US-Unternehmens konnte er schließlich vier junge Ingenieure einstellen. Sie arbeiten nun an der Feinabstimmung von Designs, programmieren Software und machen Tests.
Am Arm angebrachte Sensoren erkennen bei der Prothese Muskelbewegungen, eine von künstlicher Intelligenz gestützte Software übersetzt sie in Anweisungen an die Finger. Die Hand selbst hat ein Gelenk, das sich seitwärts drehen kann, einen mechanischen Daumen und Finger, die sich als Reaktion auf die elektronischen Impulse in den Gelenken beugen.
Um mit jungen Patienten den Gebrauch zu trainieren, entwickelt Cure Bionics ein Headset, das spielerisch physiotherapeutische Übungen vermittelt. „Aktuell werden Kinder in der Rehabilitation gebeten, so zu tun, als würden sie zum Beispiel ein Glas öffnen, mit einer Hand, die sie nicht mehr haben“, erklärt Dhaouafi. „Es braucht Zeit (…), ist nicht intuitiv und außerdem sehr langweilig.“
Mit der Videotherapie von Cure Bionics würden die Jugendlichen hingegen animiert, „Gebäude hochzuklettern wie Spiderman, mit einem Punktescore zur Motivation, und der Arzt kann das online aus der Ferne beobachten“. Zudem könne die Prothese wie ein Modeaccessoire oder ein „Superhelden-Outfit“ personalisiert werden.
Die ersten bionischen Hände will das Unternehmen innerhalb weniger Monate auf den Markt bringen, zunächst in Tunesien und dann in anderen afrikanischen Ländern, wo mehr als drei Viertel der Bedürftigen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation keinen Zugang dazu haben.
Bis zu 3000 Dollar (2538 Euro) soll eine bionische Hand kosten – ein Bruchteil einer bionischen Prothese aus Europa. Techniker vor Ort sollen dazu die Patienten vermessen und individuelle Prothesen drucken. „Eine importierte Prothese bedeutet heute wochen- oder sogar monatelange Wartezeiten beim Kauf und dann bei jeder Reparatur“, sagt Dhaouafi.
Die bionische Hand besteht aus Lego-ähnlichen Teilen, um sie bei Beschädigungen oder zur Größenanpassung einfach auswechseln zu können. In Regionen mit unsicherer Stromversorgung kann sie über ein photovoltaisches Ladegerät mit Solarenergie betrieben werden.
Jerry Evans ist Leiter der kanadischen Non-Profit-Organisation Nia Technologies, die sich auf den 3D-Druck der unteren Gliedmaßen spezialisiert hat. „Die Technologie steckt noch in den Kinderschuhen, aber es ist ein großer Wandel im Gange“, sagt er. „Wahrscheinlich werden weniger entwickelte Länder direkt von archaischen Techniken auf diese viel billigeren Technologien umsteigen.“ Allerdings sei der 3D-Druck kein Selbstläufer, warnt Evans: Zur Herstellung wirklich funktioneller Prothesen sei nach wie vor medizinisches Fachwissen erforderlich.