Es gibt eine Sonderbriefmarke und zur Feier des Jahrestags eine Doppelfolge mit gleichzeitig ermittelnden Teams aus Dortmund und München: Der „Tatort“ der ARD wird 50 Jahre alt. Die Krimireihe wirkt im Jubiläumsjahr frischer als viele andere Fernsehangebote. Während „König Fußball“ mit der deutschen Nationalmannschaft Quotennöte hat und Streamingdienste wie Netflix dem Fernsehen zu schaffen machen, ist der Mord zum Sonntag die letzte große Konstante im Unterhaltungsprogramm.
In den vergangenen zehn Jahren stieg die durchschnittliche Einschaltquote um etwa eine halbe Million Zuschauer auf neun Millionen, in diesem Jahr holten jüngst die Münsteraner Ermittler Jan Josef Liefers und Axel Prahl mit 13 Millionen Zuschauern einen Jahresbestwert.
Die Gründe für diesen Erfolg erklärte zum tausendsten „Tatort“ vor vier Jahren die als Charlotte Lindholm ermittelnde Schauspielerin Maria Furtwängler mit einer „Mischung aus Tradition und Aufbruch“. Einerseits gebe es beim „Tatort“ immer den gleichen Vorspann, die gleiche Musik, andererseits werde immer viel ausprobiert. „Es ist eben auch das Format, wo die schrägsten Sachen gemacht werden.“
Das war schon von Anfang an eines der Markenzeichen der Krimireihe. Im „Taxi nach Leipzig“, der am 29. November 1970 ausgestrahlten ersten „Tatort“-Folge, fuhr der unkonventionell ermittelnde Kommissar Trimmel auf eigene Faust in die DDR, um einen Kindermord aufzuklären.
Der Zigarre qualmende Trimmel wirkt heute genauso aus der Zeit gefallen wie Gustl Bayrhammer als Münchner Komissar Veigl mit seinem Dackel Oswald oder der von Götz George gespielte ständig fluchende Horst Schimanski. Doch als die Folgen erschienen, trafen sie den Nerv ihres Publikums.
Dabei war der „Tatort“ aus der Not heraus geboren worden. Bei einem Spaziergang forderte der damalige WDR-Abteilungsleiter Günter Rohrbach von seinem Mitarbeiter Gunther Witte eine Antwort auf den erfolgreich im ZDF laufenden Freitagskrimi „Der Kommissar“.
Witte erinnerte sich an seine Schülerzeit zurück, als er samstagabends im Radiosender Rias die Sendung „Es geschah in Berlin“ hörte. „Die war sehr dokumentarisch, behandelte echte Fälle, hatte immer mit Berlin zu tun und war sehr spannend“, berichtete der 2018 verstorbene Witte einmal der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Dies wurde zur „Tatort“-Grundidee, die im Eiltempo umgesetzt werden sollte. Weil solch eine Krimireihe aber nicht aus dem Boden zu stampfen war, bekam „Taxi nach Leipzig“ den Stempel „Tatort“. Kurioserweise wurde ein bereits 1968 im Fernsehen gezeigter Trimmel-Film 1971 als neunter „Tatort“ mit in die Reihe aufgenommen.
Wo andere Serien mit den immer gleichen Schauspielern verbunden sind, lebt der „Tatort“ auch von der ständigen Auffrischung mit neuen Kommissaren. „Über die Jahrzehnte haben wir alle kriegen können, die wir wollten“, sagte Witte einmal.
So holte Curd Jürgens mit einem einmaligen Auftritt als Doktor Konrad Pfandler die höchste je erzielte Einschaltquote mit 26,57 Millionen Zuschauern. Ähnlich viele Menschen sahen nur die Episode „Reifezeugnis“ mit Nastassja Kinski in einer Lolita-Rolle.
Was früher diese Stars waren, sind heute ein Til Schweiger als Hauptkommissar Nick Tschiller oder Wotan Wilke Möhring als Kommissar Falke. Dazu kommen immer wieder langlebige Figuren wie Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl, die als Batic und Leitmayr schon fast 30 Jahre ermitteln. In der Jubiläumsdoppelfolge „Die Familie“ werden die beiden Münchner in Dortmund eingesetzt.
Regisseur der Folge ist der erfolgreiche Dominik Graf. In einem Interview zum Jubiläum plädierte Graf gegenüber der ARD für Mut, damit der „Tatort“ auch in Zukunft gesehen wird. „Der Polizeifilm sollte in einer auseinanderbrechenden Gesellschaft nicht die Funktion der Bestätigung des Etablierten einnehmen, sondern eher die subversive Antithese.“