Thanksgiving in den USA könnte neue Corona-Herde erzeugen

Thanksgiving-Mahl
Thanksgiving-Mahl

Volle Flughäfen wie noch nie seit Beginn der Corona-Pandemie, endlose Schlangen vor den Test-Zentren: Trotz der Aufforderung der Behörden in den USA, zu Hause zu bleiben, wollen sich viele Bürger ihr traditionelles Familienfest zu Thanksgiving am Donnerstag nicht nehmen lassen und haben vielfach ihre Reise schon angetreten. Dass sie damit die Corona-Krise weiter anheizen könnten, scheint viele nicht zu schrecken.

Thanksgiving ist der wichtigste Feiertag in den USA. Millionen Menschen reisen aus allen Teilen des Landes zur ihrem traditionellen Fest mit Familie und Freunden und gefülltem Truthahn  mit Cranberry-Sauce an. Zum ersten Mal hat die US-Gesundheitsbehörde CDC dieses Jahr alle Bürger aufgerufen, auf die Reise zu verzichten – rundheraus verboten hat sie es allerdings nicht.

Mit täglich mehr als 150.000 Neuinfektionen und über einer Viertel Million Corona-Toten sind die USA das am schwersten von der Pandemie betroffene Land. Viele Gouverneure sehen deshalb Thanksgiving mit großer Sorge entgegen und rufen ihre Mitbürger auf, „ihr Esszimmer nicht in eine Covid-Brutstätte zu verwandeln“. Und der führende US-Virologe Anthony Fauci verkündete, er werde mit seinen drei Töchtern „über Zoom“ feiern.

Nach bald neun Monaten Pandemie geht diese Zurückhaltung vielen Amerikanern aber zu weit. Aufnahmen auf den Online-Netzwerken von überfüllten Flughäfen in Chicago oder Phoenix vom vergangenen Wochenende heizten die Befürchtungen der Experten deshalb weiter an. Tatsächlich wurden von Freitag bis Sonntag mehr als drei Millionen Passagiere an den US-Flughäfen gezählt, so viele wie noch nie seit Beginn der Corona-Krise.

„Alle unsere Appelle sind bei den Egoisten auf taube Ohren gestoßen“, klagte der Notfallmediziner Cleavon Gilman aus Arizona auf Twitter. Nach seinen Angaben sind in seinem Bundesstaat schon jetzt die Intensivstationen mit Covid-Patienten „überschwemmt“. 

In New York und anderen Metropolen bilden sich vor den Corona-Testzentren schon seit Tagen lange Schlangen. Viele hoffen auf ein besseres Gewissen, wenn sie mit einem negativen Test in der Tasche zu ihren Angehörigen reisen – auch wenn die Experten mahnen, dass derartig kurzfristige Tests das Ansteckungsrisiko nicht völlig ausschließen.

Auch Amanda und Chris haben zwei Stunden vor einem New Yorker Zentrum gewartet, um dann nach Florida zu ihren Familien zu fliegen. „Sie wollten, dass wir kommen“, sagt die 24-jährige Amanda. „Als ich aber meiner Mutter sagte, dass wir in der Schlange stehen, reagierte sie verständnislos: ‚Warum machst Du Dir die Mühe?‘, fragte sie nur. Sie machen sich viel weniger Gedanken als wir.“

Die Familienmutter Mary Perez will immerhin nur elf Gäste statt wie üblich 35 zu ihrem Truthahn-Festschmaus nach Long Island einladen. Das sei nur eine Person mehr als die vom New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo festgelegte Höchstgrenze, verteidigt sie sich.

Doch selbst bei den kleineren Festen in diesem Jahr – die den Landwirten zufolge auch zu Bestellungen von viel kleineren Truthähnen als sonst führten – befürchten die Gesundheitsexperten einen deutlichen Anstieg der Infektionszahlen im Dezember. Sie sorgen sich aus Erfahrung: Auch nach dem Nationalfeiertag am 4. Juli, nach Labor Day Anfang September und zuletzt nach Halloween waren die Zahlen deutlich nach oben geschnellt.

Die Fachfrau für Katastrophenschutz an der Johns-Hopkins-Universität, Meghan McGinty, lässt keinen Zweifel: „Thanksgiving wird wirklich ein entscheidender Zeitpunkt sein. Wenn wir unsere Feier nicht auf unseren eigenen Haushalt beschränken, wird die Zahl der Fälle und Krankenhauseinweisungen unweigerlich zunehmen.“

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