Türkei erzwingt Abbruch von Bundeswehr-Inspektion eines Frachters vor Libyens Küste

Fregatte Hamburg - Bild: Hummelhummel, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Fregatte Hamburg - Bild: Hummelhummel, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Im Rahmen der EU-Mission „Irini“ zur Verhinderung von Waffenlieferungen nach Libyen hat die Türkei die Kontrolle eines Frachters durch deutsche Marinesoldaten abgebrochen. Wie das Einsatzführungskommando der Bundeswehr auf Twitter mitteilte, hatten Einsatzkräfte der deutschen Fregatte „Hamburg“ am Sonntag einen türkischen Containerfrachter betreten. Die Inspektion musste abgebrochen werden, weil die Türkei die Zustimmung verweigerte, wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Montag sagte. Ankara kritisierte eine „unbefugte“ Durchsuchung durch die deutsche Marine und lud unter anderem den EU-Botschafter vor.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurde der türkische Frachter „Rosaline A“ im Mittelmeer etwa 200 Kilometer nördlich der ostlibyschen Stadt Bengasi gestoppt, weil die Mission „Irini“ Hinweise hatte, dass an Bord Waffen nach Libyen geschmuggelt würden. Die Entscheidung für die Inspektion sei von der „Irini“-Zentrale in Rom getroffen worden, bei der deutschen Fregatte handele es sich nur um ein „ausführendes Element“. 

Es gehöre zum üblichen Vorgang, die Zustimmung des Staates einzuholen, unter dem das betroffene Schiff fährt – in diesem Fall die Türkei. Dass ein Flaggenstaat die Zustimmung für eine Inspektion nachträglich zurückziehe, sei nicht ungewöhnlich, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Nachrichtenagentur AFP. Auch der Auswärtige Dienst der EU bestätigte, die Türkei habe das Recht, die Inspektion zu verweigern. 

Der Vorfall werde sehr ernst genommen, betonte allerdings eine Sprecherin des Außenministeriums in Berlin. Von allen Teilnehmern der Berliner Konferenz zum Friedensprozess in Libyen werde erwartet, dass die das UN-Waffenembargo einhalten. Das gelte auch für die Türkei. 

Auf Twitter schrieb die Bundeswehr, das Boardingteam sei bis zum Sonnenaufgang an Bord des türkischen Schiffes geblieben, um sicher zur Fregatte „Hamburg“ zurückkehren zu können. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums fügte hinzu, dass bis zum Abbruch des Einsatzes keine verbotenen Güter gefunden worden seien. Die Besatzung habe sich kooperativ verhalten, nachdem sich die Bundeswehrsoldaten von einem Hubschrauber abgeseilt hatten.

Die „Irini“-Mission erklärte, sie habe „in gutem Glauben Anstrengungen unternommen, um die Zustimmung der Türkei einzuholen“. Auf der offiziellen Website heißt es, dass sich die Mission das Recht vorbehält, bei so genannten „freundlichen Annäherungen“ Schiffe ohne Erlaubnis zu entern. 

Ankara hingegen protestierte gegen den Einsatz, der „weder mit der Zustimmung unseres Landes als Flaggenstaat noch des Schiffskapitäns durchgeführt wurde“, erklärte das türkische Außenministerium. Es lud den EU-Botschafter vor, sowie den italienischen Botschafter und den Geschäftsträger der deutschen Botschaft und überreichte eine diplomatische Note, um gegen die „unbefugte“ Inspektion zu protestieren. Laut dem türkischen Ministerium transportierte das Schiff Farbe und andere humanitäre Hilfe. 

Die EU hatte im März dieses Jahres eine neue Marine-Mission zur Durchsetzung des Waffenembargos für Libyen beschlossen. Der Militäreinsatz „Irini“ überwacht dabei mit Schiffen und Flugzeugen vor allem den Seeweg nach Libyen. 

Die Türkei unterstützt im libyschen Bürgerkrieg die von der UNO anerkannte Einheitsregierung in Tripolis. Die Einheitsregierung steht im Konflikt mit General Chalifa Haftar, dessen Truppen Gebiete im Osten und Süden des Landes kontrollieren. Auch Haftar wird von einer Reihe von Staaten militärisch unterstützt, darunter Ägypten. 

Die Konfliktparteien hatten Ende Oktober einen Waffenstillstand geschlossen. Mitte November einigten sich Vertreter Libyens unter der Schirmherrschaft der UNO auf einen Fahrplan zu nationalen Wahlen Ende 2021. 

Die am libyschen Friedensprozess beteiligten EU-Länder drohten am Montag allen Konfliktparteien mit Sanktionen, sollten diese den Friedensprozess in dem nordafrikanischen Land behindern. „Wir sind dazu bereit, Maßnahmen gegen diejenigen zu ergreifen, die das Libysche Politische Dialogforum und andere Stränge des Berliner Prozesses behindern“, erklärten Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Italien gemeinsam. 

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