Politiker in Deutschland haben mit großer Sorge auf die Lage in den USA angesichts des ungewissen Wahlausgangs reagiert. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sprach am Mittwoch von einer „sehr explosiven Situation“ in den Vereinigten Staaten. Für besonderes Befremden sorgte in Berlin die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, sich trotz knapper Ergebnisse noch vor Auszählung aller Stimmen zum Wahlsieger zu erklären.
Mehrere Bundesminister appellierten an die Politiker in den USA, sich an die demokratischen Spielregeln zu halten und das Ende der Auszählung abzuwarten. „Diese Wahl ist noch nicht entschieden“, hielt Kramp-Karrenbauer im ZDF dem US-Präsidenten entgegen, denn „die Stimmen werden noch ausgezählt“. Sie befürchte, dass nun eine „Schlacht um die Legitimität des Ergebnisses“ begonnen habe.
Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) forderte eine vollzählige Auszählung der Stimmen: „Wir sollten alle gemeinsam allerdings darauf bestehen, dass demokratische Wahlen auch komplett stattfinden“, sagte er.
Besorgt über die Lage in den USA zeigte sich auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Er äußerte die Hoffnung, „dass eine der ältesten Demokratien diese Herausforderung meistert und übersteht“ und „dass alle Seiten die Ergebnisse akzeptieren“.
Die drei Bundesminister betonten, dass Deutschland die USA auch in Zukunft als engen Partner betrachte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte sich zunächst nicht zur Lage äußern. „Die Bundesregierung hat Vertrauen in die demokratische Tradition und in die rechtsstaatlichen Institutionen“ der USA, sagte ihr Sprecher Steffen Seibert. Solange das Ergebnis aussteht, wolle er „den Stand der Dinge“ nicht kommentieren.
Politiker der Opposition in Deutschland wurden deutlicher und warfen Trump undemokratisches Verhalten vor. „Trump spielt bewusst mit einer drohenden Verfassungskrise und zündelt erneut an den Grundfesten der US-amerikanischen Demokratie“, sagte die FDP-Wehrexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu AFP. FDP-Chef Christian Lindner warnte vor einer Situation, in der die USA „auf der internationalen Bühne überhaupt nicht handlungsfähig sind“.
Linken-Chef Bernd Riexinger wertete Trumps frühzeitige Siegeserklärung als „erneuten Angriff auf das demokratische System“. Die Situation sei „brandgefährlich“.
Grünen-Chefin Baerbock sagte im ZDF, angesichts der Ereignisse in den USA beschleiche sie ein „mulmiges Gefühl“. Ko-Parteichef Robert Habeck sagte in RTL und n-tv: „Wenn Trump das gewinnt, dann ist eine Wasserscheide überschritten, dann ändert sich die globale Ordnung fundamental.“
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel fand auch lobende Worte für Trump. „Er hat das Establishment aufgebrochen“, sagte sie im ZDF. „Das war sein Wahlversprechen, und er hat das Versprechen eingehalten – das goutieren die Wähler.“
Die Möglichkeit einer zweiten Amtszeit von Trump löste auch im Regierungslager Unbehagen aus. Deutschland wäre darauf schlecht vorbereitet, sagte Unionsfraktionsvize Johann Wadephul der „Welt“. „Wenn ein Wahlsieg von Donald Trump irgendetwas Gutes hätte, dann dieses: Es wäre ein Weckruf für uns.“
SPD-Chefin Saskia Esken sagte angesichts des unerwartet guten Abschneidens von Trump der „Rheinischen Post“: „Mehr denn je gilt, dass wir unsere demokratischen Errungenschaften gegen populistische und nationalistische Hetze verteidigen müssen.“ SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider zeigte sich erschrocken, wie sehr in die US-Mittelschicht „das Gift des Populismus eingeträufelt“ sei.
In den USA hatte sich Amtsinhaber Trump in einem beispiellosen Schritt trotz eines noch völlig ungewissen Ausgangs zum Sieger erklärt. Zugleich kündigte der Republikaner an, die laufende Auszählung der Stimmen gerichtlich stoppen lassen zu wollen. Herausforderer Joe Biden hofft vor allem auf noch nicht ausgezählte Briefwahlstimmen.