US-Wahlen 2020: Die Bürger haben gewählt – doch das Electoral College entscheidet

US-Wahlen 2020 - Bild: FLASH TV
US-Wahlen 2020 - Bild: FLASH TV

In den USA wird der Präsident nicht direkt durch die Wähler, sondern durch ein Kollegium von Wahlleuten gewählt, das sogenannte Electoral College. Joe Bidens Sieg wurde von den Fernsehsendern verkündet, nachdem klar war, dass auf ihn mindestens 270 – die Mehrheit – der insgesamt 538 Wahlleute-Stimmen entfallen. Die wichtigsten Fragen zu dem umstrittenen Gremium im Überblick:

Wie setzt sich das Wahlkollegium zusammen?

Jede Partei sucht vor der Wahl ihre eigenen Wahlmänner und -frauen aus, die dann das 538-köpfige Kollegium bilden. Wieviele Wahlleute ein Bundesstaat vergibt, hängt von seiner Bevölkerungsstärke ab. Die Regel lautet: Jeder Bundesstaat hat so viele Wahlleute wie Abgeordnete (abhängig von der Bevölkerungsgröße) und Senatoren (immer zwei pro Bundesstaat) im US-Kongress zusammengenommen. 

Der bevölkerungsreichste Bundesstaat Kalifornien hat 55 Wahlleute, die Bundesstaaten mit der kleinsten Bevölkerung und der Hauptstadtbezirk Washington DC haben jeweils drei. 

Welche Mehrheit braucht ein Kandidat?

Für den Einzug ins Weiße Haus sind mindestens 270 der 538 Stimmen in dem Wahlkollegium erforderlich. Nicht notwendig dagegen ist eine Mehrheit der landesweit abgegebenen Stimmen. Und so ist es möglich, dass ein Präsident mit einer Mehrheit im Electoral College gewählt wird, ohne die meisten Wählerstimmen auf sich vereint zu haben. Auf Joe Biden trifft dies nach derzeitigem Stand nicht zu: Der Demokrat gewann sowohl die meisten Stimmen als auch die meisten Wahlleute. 

In der US-Geschichte trat dieser Fall jedoch bislang fünf Mal ein, zuletzt vor vier Jahren: Die Demokratin Hillary Clinton gewann zwar landesweit rund drei Millionen Stimmen mehr als Donald Trump; der Republikaner erzielte aber eine Mehrheit von 304 Stimmen im Wahlkollegium. 

Viele Kritiker halten das Wahlsystem für veraltet und undemokratisch und das nicht erst seit der Wahl 2016. Der Juraprofessor Lawrence Douglas etwa spricht von einer „unglaublich altertümlichen Wahlmethode“. Versuche einer umfassenden Wahlrechtsreform sind aber stets gescheitert.

Sind die Wahlleute an das Wahlergebnis gebunden?

Die US-Verfassung schreibt den Mitgliedern des Wahlkollegiums keineswegs vor, entsprechend des Wahlausgangs in ihrem jeweiligen Bundesstaat abzustimmen. Es gibt allerdings viele Bundesstaaten, die ihre Wahlmänner und -frauen dazu verpflichten. Bei einem Verstoß kann sogenannten untreuen Wahlleuten eine Geldstrafe drohen – eine Praxis, die im Juli vom Obersten US-Gerichtshof gebilligt wurde.

In der US-Geschichte haben Wahlleute mit überwältigender Mehrheit abgestimmt, wie von ihnen erwartet wurde: Zwischen 1796 und 2016 scherten nur 180 Wahlleute aus. Den Ausgang einer Präsidentschaftswahl hat dies noch nie verändert. 2016 verweigerten zwei Wahlleute dem Wahlsieger Trump ihre Stimme, er bekam deswegen 304 anstelle von 306 Stimmen.

In welchen Schritten wird der US-Präsident letztlich bestimmt?

Der geplante Ablauf sieht folgendermaßen aus: Am 14. Dezember werden die Wahlleute in ihren Bundesstaaten ihre Stimmen abgeben. Am 6. Januar wird der US-Kongress in Washington dann in einer gemeinsamen Sitzung von Repräsentantenhaus und Senat das Ergebnis bestätigen. Der Präsident wird schließlich am 20. Januar vereidigt.

Warum gibt es eine indirekte Wahl?

Die Verfassungsväter sahen 1787 in dem System einen Kompromiss zwischen einer direkten Wahl des Präsidenten durch das Volk und einer Wahl durch den Kongress. Hintergrund war unter anderem Misstrauen in die Fähigkeit der Wähler, einen guten Präsidenten zu wählen.

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