„Wer sich bewegt, bringt Bewegung in den Darm“ – Experten gaben Tipps zum Umgang mit Magen-Darm-Beschwerden

Magen-Darm-Beschwerden
Magen-Darm-Beschwerden

Der Magen-Darm-Trakt ist ein komplexes System, das viele lebenswichtige Funktionen erfüllt – und das leicht aus dem Gleichgewicht geraten kann. Ernährung, Infektionen, Stress, Unverträglichkeiten und Erkrankungen anderer Organe können eine Vielzahl an Beschwerden hervorrufen. Für die Betroffenen ist es nicht immer einfach, zwischen vorübergehenden, eher harmlosen Störungen und einer Erkrankung zu unterscheiden, die ärztlicher Behandlung bedarf.

Wann und wie sich Magen-Darm-Beschwerden selbst behandeln lassen und wann man einen Arzt aufsuchen sollte, darum ging es bei den Anrufen am Lesertelefon. Wichtige Fragen und Antworten hier im Überblick:

Die Experten

Von rechts nach links: Nadine Stampff, Prof. Dr. med. Martin Storr, Dr. med. Sven Georgi / pr|nrw

Mir schlägt Stress schnell auf den Magen. Was hilft?

Dr. med. Sven Georgi: Stress aktiviert den Sympathikus, einen Teil des vegetativen Nervensystems, das unter anderem an der Verdauung beteiligt ist. Dadurch gerät der Verdauungsprozess ins Stocken – und das schlägt auf den Magen. Abhilfe können schon einfache Maßnahmen schaffen: Trinken Sie morgens ein Glas lauwarmes Wasser oder helfen Sie dem Magen mit Bitterstoffen bei der Vorverdauung. Verzichten Sie auf alles, was den Magen reizt: Schwarzer Tee, Koffein, Alkohol, Scharfes oder Fettes. Essen Sie am Abend nicht zu spät, um die Schlafqualität zu verbessern. Und: Sorgen Sie durch Bewegung und Entspannung für Stressreduktion.

Wie kann ich meine Verdauung fördern, um eine Verstopfung zu vermeiden?

Prof. Dr. med. Martin Storr: Als Allgemeinmaßnahmen eignen sich eine ausreichende Trinkmenge, also eineinhalb bis zwei Liter täglich, eine ballaststoffreiche Ernährung, ausreichend Bewegung und ein gesunder Lebensstil.

Bei mir wechseln sich Durchfall, Bauchschmerzen und Blähungen ab – was kann dahinter stecken?

Dr. med. Sven Georgi: Treten die Symptome häufiger auf, sollte zuerst mit einem Arzt abgeklärt werden, ob sie auf eine strukturelle Erkrankung zurückgehen, etwa eine entzündliche Darmerkrankung. Können solche Ursachen ausgeschlossen werden, kann ein so genanntes Reizdarm-Syndrom (RDS) der Grund für die Beschwerden sein. Nach den aktuell geltenden ROM IV-Kriterien liegt ein RDS vor, wenn Bauchbeschwerden über drei Monate hinweg mindestens einmal pro Woche auftreten und mit Stuhlentleerung, Stuhlkonsistenz oder -frequenz zusammenhängen. Dabei müssen die Symptome seit mehr als einem halben Jahr bestehen.

Was versteht man unter einem Reizdarm-Syndrom und wie wird es behandelt?

Dr. med. Sven Georgi: Beim RDS ist das Beschwerdebild uneinheitlich, weshalb wir von vier Typen ausgehen, je nachdem ob Verstopfung, Durchfall, Schmerzen oder Blähungen prägend sind oder eine Mischung von Symptomen vorliegt. Mögliche Ursache des RDS ist häufig eine gereizte Darmwand. Auch eine bakterielle Dünndarmfehlbesiedelung (SIBO) kommt in Frage, die zum Beispiel mit einem Atemtest abgeklärt werden kann. Das Hauptziel der Behandlung des RDS besteht in der Eindämmung der Symptome. Dabei können eine Änderung im Ernährungsverhalten helfen sowie rezeptfreie Präparate, die einen Gel-Schutz auf die gereizte Darmwand legen.

Was macht eine ganzheitliche Reizdarm- und Reizmagentherapie aus?

Prof. Dr. med. Martin Storr: Moderne Behandlungsleitlinien empfehlen eine ganzheitliche Therapie von Magen- und Darmbeschwerden im Sinne eines Programms mit sinnvollen Anpassungen des Lebensstils, Ernährungstherapie und ergänzenden medikamentösen Maßnahmen. Hierzu zählen beispielsweise Yoga, stressreduzierende Achtsamkeitsmeditation, ein Ernährungstagebuch sowie eine FODMAP-Diät, bei der auf bestimmte fermentierbare Kohlenhydrate verzichtet wird, sowie ergänzend gezielte rezeptfreie Präparate, die zum Beispiel einen Gel-Schutz enthalten. Wer alle drei Bereiche der ganzheitlichen Schulmedizin anwendet, kommt durch die Kombination zu deutlich besseren und nachhaltigeren Ergebnissen als bei alleiniger Einnahme von Präparaten.

Was kann ich bei akutem Durchfall tun?

Nadine Stampff: Akuten Durchfall können Sie symptomatisch mit dem Arzneistoff Racecadotril behandeln, der den übermäßigen Wassereinstrom in den Darm reduziert. Dadurch wird die Stuhlkonsistenz fester. Gleichzeitig wird die natürliche Darmbewegung beibehalten, damit möglicherweise vorhandene Krankheitserreger weiterhin ausgeschieden werden können. Zusätzlich können Sie nicht-medikamentös unterstützen, indem Sie für eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und die Zufuhr von Elektrolyten sorgen. Damit gleichen Sie den durchfallbedingten Wasser- und Mineralstoffverlust aus.

Kann ich wiederkehrende Magenkrämpfe selbst behandeln oder sollte ich sie ärztlich abklären lassen?

Dr. med. Sven Georgi: Magenkrämpfe, die zum Beispiel durch das Essen auftreten, können mit der Zuführung von Bitterstoffen gelindert werden. Treten die Symptome häufiger auf und lassen sich nicht eindeutig zuordnen, sollten Sie einen Arzt aufsuchen, damit ernste Erkrankungen wie zum Beispiel eine Magenschleimhautreizung, ein Magengeschwür oder eine Helicobacter Pylori-Infektion ausgeschlossen oder frühzeitig erkannt werden können.

Was genau sind Bitterstoffe und welche Rolle spielen sie bei der Verdauung?

Prof. Dr. med. Martin Storr: Bitterstoffe sind heutzutage weitgehend aus unserer Nahrung verschwunden, dabei sind sie sehr hilfreich, um die natürliche Verdauungsfunktion aktiv zu unterstützen und zu fördern. Dafür gibt es beispielsweise bewährte pflanzliche Präparate wie Verdauungstropfen, die rezeptfrei in der Apotheke erhältlich sind. Gerade wenn die Verdauung mal nicht so gut funktioniert, sind die darin enthaltenen pflanzlichen Bitterstoffe oftmals hilfreich, um Symptome wie Völlegefühl, Blähungen und Krämpfe zu lindern und Verdauungsvorgänge günstig zu beeinflussen.

Das viele Essen an Feiertagen wie Weihnachten schlägt mir immer auf den Magen. Was hilft gegen Völlegefühl und Magendrücken?

Prof. Dr. med. Martin Storr: Die beste Prophylaxe ist es, auch an den Feiertagen auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung zu achten und zu große Portionen, Süßes, Fettiges sowie alkoholische Getränke zu meiden. Ergänzend sind Verdauungspausen und ein Spaziergang hilfreich. Wenn dennoch Beschwerden bestehen, kann auch ein pflanzliches Präparat Linderung verschaffen.

Was hilft bei Übelkeit und Erbrechen im Zusammenhang mit Migräne?

Nadine Stampff: Übelkeit und Erbrechen bei Migräne sind nicht nur unangenehm, sondern können auch die Aufnahme von Migränemedikamenten stören. Deshalb ist es sinnvoll, ein Medikament gegen die Übelkeit – ein so genanntes Antiemetikum – kurz vor der Anwendung des Schmerzmittels einzunehmen. Ein Antiemetikum mit dem Wirkstoff Dimenhydrinat stoppt Übelkeit und Erbrechen, indem es die Stimulation des Brechzentrums blockiert. Der Wirkstoff ist zum Beispiel als Dragee erhältlich. Bei zusätzlichem Erbrechen empfehle ich Zäpfchen als geeignete Darreichungsform.

Wann sollte ich mit Magen-Darm-Beschwerden auf jeden Fall einen Arzt aufsuchen?

Prof. Dr. med. Martin Storr: Einen Arzt sollten Sie immer dann aufsuchen, wenn Beschwerden Ihre Lebensqualität beeinträchtigen, langanhaltend bestehen oder alarmierende Symptome wie Gewichtsverlust oder Blut auf dem Stuhlgang auftreten.

Was kann ich im Alltag für meine Magen-Darm-Gesundheit tun?

Nadine Stampff: Drei Punkte sind hier besonders wichtig: Erstens ist eine Ernährung reich an Ballaststoffen empfehlenswert, ohne ein Übermaß an Fett, Salz und starken Gewürzen. Zweitens sollten Sie für eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sorgen, um Verstopfung zu vermeiden. Und drittens ist es sinnvoll, für regelmäßige Bewegung zu sorgen. Wer sich bewegt, bringt Bewegung in den Darm!

Welche Informationen braucht meine Apotheke, um mich gut beraten zu können?

Nadine Stampff: Es hilft in der Beratung, wenn Sie Ihre Beschwerden präzise beschreiben können. Wichtig zu wissen ist, wie lange die Symptome bestehen, wie häufig sie auftreten und ob sie im Zusammenhang mit bestimmten Auslösern und weiteren Begleitsymptomen stehen. Informieren Sie den Apotheker/die Apothekerin auch darüber, welche Medikamente Sie einnehmen, ob Vorerkrankungen bestehen, und was Sie bereits gegen die Beschwerden unternommen haben.

Wie finde ich heraus, ob eine Nahrungsmittelunverträglichkeit der Grund für meine Beschwerden ist?

Prof. Dr. med. Martin Storr: Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind oft schwierig zu erkennen. Eines der besten Hilfsmittel, um Unverträglichkeiten zuverlässig zu erkennen, sind fachlich fundierte Ernährungs-Symptom-Tagebücher mit speziellen Belastungstabellen. Empfohlen sind auch die Vorstellung beim Arzt und Atemtests auf Kohlenhydratmalabsorptionen wie Fruktose-, Laktose- und Sorbitmalassimilationen. Das alleinige Führen von losen Listen ist nicht so hilfreich, und von Antikörperbluttests zum Erkennen von Unverträglichkeiten wird in Behandlungsleitlinien strikt abgeraten.

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