Wegen dubioser Finanzgeschäfte auf Kosten der Steuerzahler steht ein weiterer ehemaliger Bankmanager vor dem Landgericht Bonn: Am Dienstag begann die Hauptverhandlung gegen einen früheren Generalbevollmächtigten der Hamburger Warburg-Bank wegen des Vorwurfs der schweren Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit sogenannten Cum-Ex-Geschäften. (Az. 62 KLs 1/20). Die Staatsanwaltschaft Köln beziffert den entstandenen Steuerschaden auf insgesamt mehr als 325 Millionen Euro.
Die Staatsanwaltschaft hatte Ende Mai Anklage gegen den Mann erhoben. Sie wirft ihm nach Angaben des Bonner Landgerichts eine Beteiligung an besonders schwerer Steuerhinterziehung in 13 Fällen von Ende 2006 bis Ende 2013 vor. Das Gericht hatte in dem Fall vorerst zehn Verhandlungstermine bis Anfang Januar angesetzt. Gegen drei ursprünglich Mitangeklagte läuft ein gesondertes Verfahren; darüber hinaus wird laut Gericht gegen weitere mutmaßliche Mittäter ermittelt.
Mit Cum-Ex-Geschäften wird das Verschieben von Aktien rund um einen Dividenden-Stichtag herum bezeichnet, um sich so eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer mehrfach vom Fiskus erstatten zu lassen. Dadurch sind der öffentlichen Hand in der Vergangenheit Steuergelder in Milliardenhöhe entgangen. Die Bundesregierung schob der Praxis 2012 offiziell einen Riegel vor. Im bundesweit ersten Cum-Ex-Strafprozess hatte das Bonner Landgericht im März Bewährungsstrafen gegen zwei Angeklagte verhängt – und zugleich erstmals festgestellt, dass die umstrittene Praxis als strafbar zu werten sei.
Der Fraktionsvize und finanzpolitische Sprecher der Linkspartei, Fabio de Masi, begrüßte den Beginn des zweiten Prozesses. „Das Gericht macht Druck, damit die Angeklagten womöglich Warburg-Patriarch Olearius belasten“, erklärte er. In diesem Zusammenhang sei es wichtig, „auch die Rolle der Politik – etwa vom damaligen Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz – im Cum-Ex-Desaster zu klären“. Der heutige Vizekanzler Scholz (SPD) war wegen Treffen mit Christian Olearius, Miteigentümer der Privatbank M. M. Warburg, und dessen vermeintlicher Rolle bei Cum-Ex-Geschäften in die Schlagzeilen geraten.
Der Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, Gerhard Schick, kritisierte indes, dass sieben Jahre nach dem Ermittlungsstart im Cum-Ex-Komplex erst der zweite Strafprozess beginne. Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Köln leiste gute Arbeit, doch die NRW-Landesregierung habe eine „Unterausstattung bei den Ermittlern und damit das langsame Fortschreiten der Aufklärung“ zu verantworten. „Bei 927 Beschuldigten plus ihrer Anwaltsarmada gegen 55 Ermittler drohen viele Täter ungestraft davon zu kommen“, warnte Schick und forderte eine Sonderkommission mit mindestens 150 Ermittlern.