Ausgang der Post-Brexit-Gespräche bleibt bis zum Ende unsicher

London und EU
London und EU

Der Ausgang der Verhandlungen mit Großbritannien über ein Handelsabkommen nach dem Brexit bleibt bis zum Schluss unsicher. Während die EU am Donnerstag einen Durchbruch bis zum Freitag für möglich hielt, sah die britische Regierung ein Scheitern weiter als das „wahrscheinlichste“ Szenario. Das Europaparlament versuchte, mit einer Frist bis Sonntag Druck zu machen.

Großbritannien war zum 1. Februar aus der EU ausgetreten, bis zum Jahresende bleibt das Land aber noch im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Inzwischen ist die Zeit für die rechtzeitige Ratifizierung eines angestrebten Handelsabkommens für die Zeit danach äußerst knapp. Ohne Einigung würden im beiderseitigen Handel zum Jahreswechsel Zölle erhoben – mit gravierenden Folgen für die Wirtschaft. 

EU-Verhandlungsführer Michel Barnier sagte nach AFP-Informationen bei einem Treffen mit Europaabgeordneten, eine Einigung bis Freitag sei „schwierig, aber möglich“. Wie er selbst auf Twitter schrieb, gibt es „gute Fortschritte“ in den Gesprächen. Es gelte nun, „die letzten Stolpersteine“ aus dem Weg zu räumen. Denn die EU werde ein Abkommen nur unterzeichnen, wenn dieses ihre Interessen und Grundsätze schütze.

Hauptstreitpunkte sind seit Monaten faire Wettbewerbsbedingungen, die Kontrolle eines künftigen Abkommens und die Fangrechte für EU-Fischer in britischen Gewässern. Die Unterhändler beider Seiten arbeiteten daran, „die verbleibenden Lücken zu schließen“, sagte ein Sprecher von Premierminister Boris Johnson. Ein No Deal und Handel mit der EU nach Regeln der Welthandelsorganisation WTO bleibe aber „das wahrscheinlichste Ergebnis“.

Das EU-Parlament forderte von beiden Seiten, bis Sonntag um Mitternacht einen Text vorzulegen. Dann sei die Volksvertretung bereit, eine außerordentliche Plenarsitzung Ende Dezember anzusetzen, um über seine Zustimmung zu entscheiden. 

Bis Sonntag müsse ein Abkommen vorliegen, damit es durch das Parlament vor dem Jahresende noch „vernünftig“ geprüft werden könne, erklärte der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU). „Das Abkommen ist zu wichtig, um es im Eiltempo durch das Parlament zu bringen.“ Der Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD), erklärte, wenn die Frist am Sonntag überschritten werde, sei das Abkommen gescheitert.

Angesichts möglicher weiterer Verzögerungen in den Verhandlungen wurde unter den Mitgliedstaaten aber bereits die Möglichkeit diskutiert, das Handelsabkommen vorerst auch provisorisch anzuwenden. Dies kann die EU-Kommission vorschlagen. Zustimmen müssten nur die Mitgliedstaaten, nicht aber das Parlament.

Die Fraktionschefs erinnerten jedoch an ein Versprechen von Kommissionspräsidentin von der Leyen. Sie hatte vor ihrem Amtsantritt in „politischen Leitlinien“ erklärt, sie werde „stets vorschlagen“, dass die vorläufige Anwendung von Handelsabkommen „von der vorherigen Zustimmung des Europäischen Parlaments abhängig“ gemacht werde.

Begrüßt wurden in der Parlamentserklärung die von der Kommission auf den Weg gebrachten Notfallmaßnahmen für den Fall eines Scheiterns. Über die Regelungen insbesondere für den Verkehrs- und Luftfahrtbereich will das Parlament am Freitag abstimmen.

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