Für „Charlie Hebdo“ gehört Gott ins Gefängnis – zumindest satirisch betrachtet. Das aktuelle Titelblatt der französischen Satirezeitung zeigt einen alten Mann mit wallendem Haar, der per Polizeitransporter zu einer Haftanstalt gebracht wird. „Dieu remis à sa place“ (Gott wieder da, wo er hingehört, oder: Gott in die Schranken gewiesen) ist auf dem Wagen zu lesen. Der alte Mann hämmert vergeblich gegen die Gitterstäbe.
Die Karikatur, die verschiedene Interpretationen zulässt, erschien anlässlich des Urteils im Prozess um die Anschläge auf „Charlie Hebdo“ und einen jüdischen Supermarkt im Januar 2015, das für Mittwochnachmittag erwartet wurde. Sie stammt von dem Zeichner François Boucq, der das Verfahren gegen insgesamt 14 mutmaßliche Komplizen und Hintermänner seit Anfang September begleitet hat.
Mit dem Urteil ende „der Kreislauf der Gewalt, der in den Redaktionsräumen von Charlie Hebdo begann“, schrieb Redaktionsleiter Laurent Sourisseau unter seinem Künstlernamen Riss in dem Leitartikel.
Am 7. Januar 2015 hatte das islamistische Brüderpaar Chérif und Saïd Kouachi die damaligen Pariser Redaktionsräume der Zeitung überfallen und zwölf Menschen ermordet – darunter einige der bekanntesten Karikaturisten Frankreichs. In das Visier der Islamisten geriet „Charlie Hebdo“ durch die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen.
Die Redaktion beruft sich bei ihrer Kritik am Islam und den anderen großen Weltreligionen auf das Recht auf Blasphemie, das im laizistischen Frankreich als ungeschriebenes Gesetz gilt. Die Gotteslästerung ist dort anders als etwa in Deutschland nicht im Strafrecht verankert.
„Das wahre Urteil in diesem Prozess haben die Leser von Charlie gesprochen“, schreibt Riss weiter. „Jede Woche, in der sie diese äußerst lebendige Zeitung in den Händen halten, und das sechs Jahre nach dem Massaker.“