Corona als Treibstoff für Modelleisenbahnen

Modelleisenbahn - Bild: kayp via Twenty20
Modelleisenbahn - Bild: kayp via Twenty20

Der Berliner Rentner Gerhard Berndt lässt bei sich zuhause zwar schon seit 30 Jahren Modelleisenbahnen über die kleinen Gleise fahren – doch in diesem Jahr legte der 72-Jährige noch eine Schippe drauf. Wegen der massiven Corona-Einschränkungen hatte Berndt so viel Zeit wie nie zuvor für sein Hobby. Die nutzte er, um die Landschaften, durch die seine Miniaturbahnen fahren, deutlich auszubauen.

„Das braucht Zeit“, berichtet der ehemalige Schreiner über seine Leidenschaft. „Und die halt habe ich jetzt genutzt in dieser Corona-Situation.“ Damit war Berndt einer von vielen deutschen Modellliebhabern, die den Herstellern in diesem Jahr einen massiven Umsatzschub verpassten.

Von der Pandemie profitiert nicht nur der Modellbau, sondern die Spielzeugbranche insgesamt. Der Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels (BVS) erwartet einen Jahresumsatz von 3,7 Milliarden Euro, das wären acht Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Sehr gut verkauft haben sich vor allem Brettspiele, Puzzles, Outdoor-Spielgeräte und eben Bausätze. 

Bereits von Januar bis Oktober wuchs der Markt nach Angaben des Marktforschungsinstituts Npd Group um elf Prozent zum Vorjahreszeitraum. Gut fürs Land: Deutschland hat nach Umsatz und Beschäftigten die größte Spielwarenindustrie in Europa. Jeder vierte in der Spielzeugherstellung tätige Arbeitnehmer ist in Deutschland beschäftigt.

Frischen Wind verspürte dabei besonders der Modellbau, der hierzulande traditionell beliebt ist und auch bekennende prominente Anhänger hat. So dirigiert etwa Innenminister Horst Seehofer (CSU) im Keller seines Hauses Züge im Miniaturformat.

Vom Boom profitiert auch der Modelleisenbahn-Marktführer Märklin. Das Unternehmen mit Sitz im schwäbischen Göppingen verzeichnete nach eigenen Angaben im Teil-Lockdown-Monat November 50 Prozent mehr Bestellungen als im Vorjahresmonat.

„Wir sind eine der wenigen Branchen, die durch Corona einen kleinen Aufschwung bekommen haben“, sagt Märklin-Chef Florian Sieber. „Das liegt mit Sicherheit daran, dass viele Menschen daheim bleiben und sich dann sinnvolle Beschäftigungen überlegen, was sie daheim tun können, ohne sich außen jetzt anzustecken.“

Bereits während des ersten Lockdowns im März und April hatte Märklin mehr Bestellungen verzeichnet – normalerweise herrscht im Frühjahr meist Flaute im Modellbau. Sogar einen zusätzlichen Mitarbeiter stellte der Modellbahnen-Hersteller mittlerweile ein.

Sieber setzt darauf, dass der Aufschwung auch nach der Corona-Pandemie anhält. „Wir vermuten schon, dass die, die jetzt damit anfangen, auch für ein paar Jahre oder für längere Zeit dann auch bei dem Hobby dabei bleiben“, sagt er. „Das ist ein Hobby, was man nicht heute macht und morgen aufhört.“

Für den Berliner Rentner Berndt gilt das auf jeden Fall. Der heute 72-Jährige hatte sich seinen ersten Bausatz für 30 Mark gekauft und dafür sein erstes Gehalt ausgegeben. Heute ist er Herr über 30 Züge und 300 Figuren, die sein ganzes Wohnzimmer in Beschlag nehmen.

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