Im Prozess um den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke wird am Dienstag das Plädoyer der Bundesanwaltschaft erwartet. Der Hauptangeklagte Stephan E. ist den Behörden seit Ende der 1980er als Rechtsextremist bekannt. Seine Spur verliert sich jedoch nach 2009. Ein Überblick über sein Leben:
WAS SIND SEINE VORSTRAFEN?
E. war den Behörden seit Ende der 80er Jahre als Rechtsextremist bekannt. Im November 1992 griff er auf einer Toilette im Wiesbadener Hauptbahnhof einen Ausländer an. E. stach seinem Opfer mehrfach in den Rücken und in den Brustkorb. Der Mann überlebte schwer verletzt.
Etwas mehr als ein Jahr später folgte ein missglückter Anschlagsversuch: Am 23. Dezember 1993 wollte der damals 20-Jährige einen Sprengstoffanschlag auf eine Asylunterkunft im hessischen Hohenstein-Steckenroth verüben. Bewohner der Container entdeckten ein brennendes Auto und konnten es löschen, bevor die Feuerwehr eintraf. Auf dem Rücksitz fand die Polizei eine Rohrbombe.
Wegen dieser Straftaten wurde E. zu sechs Jahren Jugendhaft verurteilt. Am 1. Mai 2009 war E. an Krawallen in Dortmund beteiligt, bei denen rund 400 Neonazis eine Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbunds attackierten. Im April 2010 wurde E. vom Amtsgericht Dortmund unter anderem wegen Landfriedensbruchs und versuchter gefährlicher Körperverletzung zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
WAS SAGT E. ÜBER SICH SELBST?
In seinem dritten Geständnis im Prozess vor dem Oberlandesgericht Frankfurt im August ließ E. über seinen Anwalt von seiner Kindheit mit einem alkoholkranken und gewalttätigen Vater berichten. Schon als Kind sei er mit Rechtsextremismus in Berührung gekommen, als ihm sein Vater den Kontakt zu einem türkischen Mitschüler verboten habe. Später im Gefängnis habe er sich radikalisiert.
Nach der Demonstration im Mai 2009 in Dortmund löste er sich nach eigenen Angaben von der rechtsextremen Szene. Auf der Arbeit habe er den im Fall Lübcke Mitangeklagten Markus H. wieder getroffen, der ihn erneut radikalisiert habe.
WAS SAGT DAS PSYCHOLOGISCHE GUTACHTEN?
Ein Sachverständiger stufte E. als schuldfähig ein und sah zugleich die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung als gegeben an. E. habe einen Hang zur Begehung schwerer Straftaten. An seiner Tatbereitschaft habe sich nichts Wesentliches geändert. Die Taten könnten sich auch gegen Zufallsopfer richten. Es lägen keine Hinweise für eine psychische Erkrankung wie eine manische Psychose vor.
Der Gutachter beschrieb E. als „zurückhaltenden Einzelgänger“. Von seiner inneren ausländerfeindlichen Haltung habe er sich, anders als E. in seinen Geständnissen behauptet hatte, nicht distanziert.
WIE WIRKT ER IM PROZESS?
E. spricht langsam und zögernd. Zwischen seinen Aussagen gibt es häufig lange Pausen. Die meiste Zeit wirkt er teilnahms- und emotionslos. Er gestikuliert nicht und seine Mimik bleibt unbewegt. Auch seine Stimme bleibt in der gleichen Tonlage. Eine Ausnahme bildete gleich zu Prozessbeginn das Abspielen des Videos seiner ersten Vernehmung. Als er von seinen beiden Kindern erzählt, begann er im Prozesssaal zu weinen.