Kurz vor dem EU-Gipfel sucht die Bundesregierung weiter einen Kompromiss mit Ungarn und Polen im Haushaltsstreit. „Wir bemühen uns hinter den Kulissen um eine Lösung, die von allen 27 Mitgliedstaaten getragen wird“, sagte Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD) am Dienstag. Nach AFP-Informationen laufen aber auch die Vorbereitungen für einen „Plan B“, um den geplanten Corona-Hilfsfonds notfalls auch ohne Warschau und Budapest zu verwirklichen.
Ungarn und Polen hatten Mitte November ihre Zustimmung zu einem 1,8 Billionen Euro schweren Finanzpaket bestehend aus dem EU-Haushaltsrahmen für die kommenden sieben Jahre und dem Corona-Hilfsfonds verweigert. Grund sind Pläne, EU-Gelder bei Verstößen gegen rechtsstaatliche Grundsätze künftig zu kürzen.
Ohne Einigung droht der EU ab Januar nicht nur ein Nothaushalt mit drastischen Kürzungen. Auch der 750 Milliarden Euro schwere Hilfsfonds gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise könnte nicht wie geplant starten.
Roth verwies darauf, dass Änderungen an dem Rechtsstaatsmechanismus zur Kürzung von EU-Geldern nicht möglich seien. Dies lehnten sowohl das Europaparlament als auch mehrere Mitgliedstaaten kategorisch ab. Der Staatsminister wollte sich nicht konkret zu möglichen Kompromisslösungen äußern, die vom deutschen EU-Vorsitz noch verfolgt werden.
Im Gespräch waren in den vergangenen Wochen schriftliche Zusicherungen an Polen und Ungarn. Bisher waren beide Länder aber nicht bereit, sich damit zufrieden zu geben.
Die EU hatte daraufhin beiden Länder eine Frist bis Dienstag gesetzt, um vor dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs ab Donnerstag noch einzulenken. Der ungarische Regierungschef Viktor Orban reiste am Dienstag nach Warschau, um sich erneut mit dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki zu beraten.
Im Raum steht die Drohung der anderen EU-Staaten, den Hilfsfonds notfalls ohne beide Länder zu verwirklichen. „Wenn sie an ihrem Veto festhalten, könnte der EU-Gipfel der Kommission ein Mandat für Plan B geben“, sagte ein EU-Vertreter am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Hierfür gebe es „mehrere Optionen“.
Bevorzugt wird demnach in der EU-Kommission die Variante, den Hilfsfonds nach dem Modell des europäischen Kurzarbeitergelds Sure umzusetzen. Auch dieses war infolge der Corona-Krise vereinbart worden. Die EU-Kommission nimmt dazu über die Ausgabe von Anleihen Gelder an den Finanzmärkten auf. Diese werden dann als zinsgünstige Kredite an interessierte Mitgliedstaaten weitergegeben.
In EU-Kreisen wird darauf verwiesen, dass diese Lösung am schnellsten umzusetzen wäre. Andere Lösungen über die sogenannte verstärkte Zusammenarbeit der EU oder einen Fonds außerhalb des EU-Rahmens bräuchten einen langen Vorlauf, weil für sie erst die nötigen Strukturen geschaffen werden müssten. „Das kann ein Jahr dauern“, hieß es. „In Krisen ist aber Geschwindigkeit ein entscheidender Faktor.“