Zu schön um wahr zu sein“: Ismail El Mekhfi kann sein Glück auf dem „1337“-Campus im marokkanischen Khouribga noch immer kaum fassen. Für den 22-Jährigen, der sich selbst als „ethischer Hacker“ bezeichnet, im Geek-Jargon auch „White Hat“ genannt, lässt die Hightech-Programmierschule keine Wünsche offen. Dabei soll das Hackerparadies nicht nur ein Zufluchtsort für IT-Talente mit unkonventionellem Werdegang sein, sondern in dem nordafrikanischen Land auch im Kampf gegen den Fachkräftemangel helfen.
Mit Graffitis an den Wänden, kostenloser Kantine und Aufenthaltsräumen mit Schaukeln und Kickertischen weht über den Campus ein Hauch von Silicon-Valley-Startup. Geöffnet ist die Schule 24 Stunden am Tag. Für die Studenten ist die Ausbildung komplett kostenlos – und über ihren Stundenplan entscheiden sie selbst.
El Mekhfi kann das alles zunächst kaum glauben, als er im Internet auf das Institut stößt. Also hackt er sich kurzerhand in das Netzwerk der Schule, um sich sicher zu sein. Denn auch solche „dunkleren“ Methoden beherrscht der 22-Jährige, der seine Fähigkeiten als „White Hat“-Hacker aber in den Dienst der Allgemeinheit stellen will.
In der Schule habe ihn „alles gelangweilt“, erzählt er, nachdem es ihm mit etwas Mühe gelingt, seine Aufmerksamkeit vom Bildschirm zu lösen. Sehr zum Verdruss seiner Eltern schmeißt er vor dem Examen hin. Danach arbeitet er zwei Jahre in Norwegen für eine Cybersicherheitsfirma.
Doch dann entdeckt er die „1337“-Schule. Mit Bravour besteht er den Einstellungstest, bei dem die Bewerber keinen IT-Abschluss oder andere Qualifikationen vorweisen, sondern stattdessen ihre Kreativität oder ihre Logikfähigkeiten unter Beweis stellen müssen. Noch bevor er seine Kurse absolviert hat, wird er Teil des IT-Sicherheitsteams.
„Er ist echt stark – viel stärker als ein alter Mann wie ich“, sagt Youssef Dahbi, Technikchef der Schule, der sich in seinen Dreißigern beim Know-How schon beinahe abgehängt wähnt. „Cybersicherheit entwickelt sich ständig“, sagt Dhabi. „Also sind Skills schnell überholt.“
Für den „1337“-Campus hat der marokkanische Düngemittelriese OCP eine stillgelegte Fabrik in der knapp zwei Stunden von Casablanca gelegenen Stadt umgebaut – auch um damit der großen Nachfrage nach IT-Spezialisten besser gerecht zu werden. Außerdem arbeitet der Campus mit der renommierten Programmierschule „42“ zusammen, die vom französischen Telekom-Milliardär Xavier Niel gegründet wurde und die mit der Zahl im Namen auf die berühmte Supercomputerantwort auf die Frage „nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“ aus dem Science-Fiction-Klassiker „Per Anhalter durch die Galaxis“ anspielt.
Der Name „1337“ für den Campus in Khouribga steht hingegen für die sogenannte „Leet“-Sprache, bei der die Zahlen Buchstaben codieren – wie etwa die „3“ ein „E“ – und mit der Hacker oder auch Gamer oft einen „elitären“ Status zum Ausdruck bringen wollen.
Richten will sich die Programmierschule an „die unsichtbare Jugend, die missverstandenen Geeks, die nicht in das System passen und die ihre eigenen besonderen Fähigkeiten entwickelt haben“, sagt Direktor Larbi El Hilali.
Fatima Zahra Karouch gehört zu den nur zehn Prozent Frauen an der Schule. Die 29-Jährige fühlt sich dort unter Gleichgesinnten „wie in einer großen Familie“, sagt sie. „Keine festen Zeiten, keine Zwänge, keine Urteile über dich.“
Zu den wenigen Ausländern auf dem Campus zählt Robert Bright Foca aus Kamerun, der sich zwei Monate durch Nigeria, Niger und Algerien schlug, bis er nach Marokko gelangte – „gerade noch rechtzeitig für die Aufnahmeprüfung“, wie er erzählt. Jetzt träumt der 23-Jährige davon, eines Tages in seiner Heimat seine eigene Progammierschule zu eröffnen.
Im 35-Millionen-Einwohner-Land Marokko werden jedes Jahr rund 8000 Informatiker mit ihrer Ausbildung fertig – nicht genug für den Bedarf durch die digitale Transformation, vor allem, da vielen Absolventen höhere Löhne in Europa oder Nordamerika winken.
Die Wirtschaft sieht deshalb Handlungsbedarf. Mit der „1337“-Schule sollten „die Leute mit dem größten Potenzial“ angesprochen werden, sagt ein Strategieberater von OCP, der namentlich nicht genannt werden will. Dabei sei es „einfacher, neue Kurse zu schaffen, als das gesamte Hochschulsystem zu reformieren“.