Bei der EU sind die ersten Anträge von Pharmafirmen auf eine bedingte Zulassung von Impfstoffen gegen Corona eingegangen. Sowohl das Mainzer Unternehmen Biontech und sein US-Partner Pfizer als auch das US-Unternehmen Moderna reichten nach eigenen Angaben vom Dienstag unabhängig voneinander entsprechende Anträge bei der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) ein. Der Schritt war allgemein erwartet worden, nachdem die Unternehmen zuvor vielversprechende Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit aus klinischen Studien vorgelegt hatten.
Die EMA bestätigte den Eingang der Anträge von Biontech und Pfizer sowie Moderna. Nach Angaben der Fachbehörde in Amsterdam, die neue Impfstoffe für alle EU-Mitglieder zentral prüft, ist spätestens am 29. Dezember eine Sondersitzung ihrer zuständigen Expertengruppe zu dem Kandidaten von Biontech und Pfizer geplant. Eine Sondersitzung zu dem Moderna-Wirkstoff soll spätestens am 12. Januar folgen. Bei einem positiven Votum würde demnach abschließend die EU-Kommission binnen wenigen Tagen über die Marktzulassung in der EU entscheiden.
Biontech und Pfizer sowie Moderna testen ihre Wirkstoffe derzeit in großangelegten Testreihen mit zehntausenden Teilnehmern und teilen seit Wochen Daten mit den Zulassungsbehörden, um den Zulassungs- und Prüfprozess zu beschleunigen. Ein abschließender Antrag in der EU fehlte bislang aber noch. In den USA beantragten Biontech und Pfizer bereits vor eineinhalb Woche eine Notfallzulassung. Moderna reichte den Antrag dort parallel zu jenem für die EU am Montag ein.
Nach Auswertungen klinischer Studien hatten Biontech und Pfizer sowie Moderna bereits im November berichtet, dass ihre Wirkstoffe den Ausbruch einer Corona-Erkrankung zu jeweils etwa 95 Prozent verhinderten und keine schwerwiegenden Nebenwirkungen aufträten. Die Nachrichten wurden weltweit mit Erleichterung aufgenommen. Global arbeiten zahlreiche Pharmafirmen und wissenschaftlichen Institute an der Entwicklung von Impfstoffen gegen das Coronavirus.
Biontech-Vorstandschef Ugur Sahin bezeichnete die Antragstellung seines Unternehmens am Dienstag als „Meilenstein“. Im Fall einer Zulassung wollten Biontech und Pfizer gemeinsam mit den Behörden eine „schnelle globale Verteilung“ ermöglichen, erklärte er weiter.
Eine bedingte Zulassung ist laut EMA ein Verfahren, bei dem weniger Daten als normalerweise üblich eingereicht werden, um schneller auf eine medizinische Notlage zu reagieren. Die übrigen Daten werden nachgeliefert. Politik und Unternehmen betonten aber stets, dass damit keine Absenkung von Sicherheitsstandards verbunden sein werde.
Im Rennen um die ersten Corona-Impfstoffe bestellten die USA, die EU und etliche weitere Länder bereits hunderte Millionen Dosen der potenziellen Impfstoffe verschiedener Unternehmen vor. Biontech und Pfizer etwa rechnen nach eigenen Angaben damit, in diesem Jahr rund 50 Millionen Dosen und bis Ende 2021 bis zu 1,3 Milliarden Dosen bereitstellen zu können. Die Großproduktion läuft schon, weltweit bereiten Unternehmen und Behörden die großflächige Verteilung vor.
„Wir haben auf Halde produziert“, sagte Biontech-Finanzvorstand Sierk Poetting am Dienstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) und Vertretern weiterer Unternehmen zum Stand der Corona-Impfstoffforschung in Deutschland. Im Fall einer Zulassung könne die Verteilung des Impfstoffs in Deutschland innerhalb „weniger Stunden“ beginnen.
Karliczek lobte bei dem Termin die „atemberaubende Geschwindigkeit“ bei der Entwicklung von Impfstoffen. Abstriche bei der Sicherheit werde es nicht geben, betonte die Ministerin. Die bei der Zulassung angelegten Prüfmaßstäbe blieben auf dem üblichen hohen Niveau. Ein Corona-Impfstoff werde behandelt „wie jeder andere Impfstoff auch“.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rechnete nach eigenen Angaben vom Dienstag mit einer Zulassungsentscheidung „rund um den Jahreswechsel“. Die Impfinfrastruktur in Deutschland werde ab Mitte Dezember startklar sein, betonte er in Düsseldorf vor Journalisten.
Nach derzeitigen Stand könne Deutschland anfangs mit fünf bis acht Millionen Impfdosen rechnen, ergänzte der Minister. Die Verteilung solle „binnen Stunden“ nach einer Zulassungsentscheidung beginnen. Auch Spahn betonte, das Zulassungsverfahren werde nach gemäß aller Regularien erfolgen. Es gelte dabei zudem „absolute Transparenz“.