Die EU-Kommission hat gemeinsam mit den griechischen Behörden den Bau eines neuen ständigen Flüchtlingslagers auf der Insel Lesbos beschlossen. Bis September 2021 werde dort ein „neues, qualitativ hochwertiges Aufnahmezentrum“ entstehen, das griechische und EU-Behörden gemeinsam leiten würden, erklärte die Brüsseler Behörde am Donnerstag. Es ist das erste Mal, dass die EU sich direkt an Bau und Verwaltung eines Flüchtlingslagers beteiligt.
„Dies ist ein wichtiger Schritt zur Lösung der Situation nach den Bränden, die im September das Lager Moria zerstört haben“, erklärte die Kommission. Europas bis dahin größtes Flüchtlingslager war fast vollständig abgebrannt, mehr als 12.000 Menschen wurden obdachlos.
Auf Lesbos wurde daraufhin zunächst hastig ein provisorisches Zeltlager auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz errichtet. Von Anfang an klagten die Bewohner jedoch über katastrophale Bedingungen, etwa dass es an Betten, Strom und fließendem Wasser fehle. Im Oktober zerstörten heftige Regenfälle 80 Zelte.
Bis September werden die nach Kommissionsangaben noch rund 7200 Migranten dort ausharren müssen. Brüssel habe im November fünf Millionen Euro bewilligt, um das Übergangslager winterfest zu machen und die Energie- und Wasserversorgung zu verbessern, erklärte die Behörde. Die griechischen Behörden kündigten an, Wohncontainer aus anderen Camps auf der Insel in das Übergangslager bringen zu lassen.
Für das neue Zentrum sind nach griechischen Angaben im Rahmen eines EU-finanzierten Programms „geschlossene Lager“ mit Einlasskontrollen und „doppelter Umzäunung“ vorgesehen. Die Camps sollen demnach über Brandschutzsysteme verfügen und „menschenwürdige Lebensbedingungen“ bieten.
Die EU-Kommission bestätigte diese Bestrebungen. Die Bedingungen in dem neuen Lager würden „im Einklang mit EU-Recht unter Berücksichtigung internationaler Standards“ stehen, etwa in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit und sanitäre Einrichtungen. Die Bedingungen im überfüllten Moria-Lager waren von Menschenrechtsorganisationen über Jahre als untragbar kritisiert worden.
Die Kommission hat nach Angaben eines Sprechers rund 130 Millionen Euro für neue Aufnahmezentren auf Lesbos und Chios eingeplant, der Großteil davon für Lesbos. Hinzu kommen demnach bereits bewilligte 121 Millionen Euro, die Athen für den Bau von drei kleineren Aufnahmezentren auf den Inseln Samos, Kos und Leros erhalten hat. Diese Lager sollen ebenfalls bis September 2021 fertiggestellt werden.
Es gehe darum „sicherzustellen, dass sich eine Situation wie die von Moria nicht wiederholt“, erklärte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson. Das neue Lager sei ein Zeichen des Wandels in der EU-Migrationspolitik.
Die Kommission hatte Ende September nach langer Verzögerung einen neuen Vorschlag für die seit Jahren feststeckende Reform des europäischen Asylsystems vorgelegt. Vorgesehen sind darin vor allem beschleunigte Asylverfahren an den Außengrenzen und schnellere Abschiebungen.
„Die EU wird nun zum Komplizen der menschenverachtenden griechischen Abschreckungspolitik gegenüber Flüchtlingen“, kritisierte der Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, Günter Burkhardt. Die von der EU finanzierten Lager seien nicht darauf ausgerichtet, faire Asylverfahren zu ermöglichen, sondern dienten dazu, die Menschen möglichst schnell wieder abzuschieben. „Die EU finanziert so die Entrechtung von Schutzsuchenden.“
Das Anti-Folter-Komitee des Europarats (CPT) hatte noch im November neben den katastrophalen Zuständen in vielen griechischen Lagern generell den seit vielen Jahren auf Internierung ausgerichteten Umgang Griechenlands mit Flüchtlingen scharf kritisiert.